1.
Wenn wir Neujahr feiern, dann spüren wir etwas von der Faszination des Neuen, des Unverfälschten, des Unberührten. Das Neue hat seinen eigenen Glanz. Ein neues Kleid zu tragen etwa heißt immer auch, sich neu zu fühlen, sich schöner zu fühlen als in den alten Kleidern. Darin steckt immer auch die Hoffnung, ein neuer Mensch zu sein, sich neu zu gebärden, von den andern nicht mehr mit der alten Rolle identifiziert zu werden. Das neue Erscheinungsbild soll uns auch ermutigen, neue Möglichkeiten auszuprobieren, uns neu gegenüber den andern zu geben, neue Worte zu finden, neue Gesten, neue Reaktionen, neue Wege zu gehen. An Neujahr hoffen wir, dass nicht nur unsere Kleider und unsere Rollen neu werden, sondern ein ganzes Jahr. Gerade an Neujahr hoffen wir auf einen neuen Anfang.
2.
Viele nehmen sich zu Beginn eines Jahres oder zu Beginn einer Woche oder eines Tages etwas vor. Sie sind begeistert von einem Buch, das sie gelesen haben. Daraufhin möchten sie ihr Leben sofort ändern. Oder sie haben in einem Vortrag gehört, wie sie besser mit ihrer Zeit umgehen können, wie sie von ihren Fehlern lernen können. So machen sie sich voller Schwung ans Werk. Aber schon nach kurzer Zeit erlahmt ihr Elan. Es wird zu beschwerlich, und sie geben auf. Auf einmal macht es keinen Spaß mehr, an sich zu arbeiten. Es hat ja doch alles keinen Zweck. Ich weiß ja, dass ich nie weiterkomme. Aber indem sie einen Vorsatz aufgeben, geben sie ein Stück von sich selbst auf. Sie trauen sich selbst nicht mehr. Sie resignieren. Der Altvater Poimen sagte einem jungen Mönch, der von solch resignierenden Gedanken erfüllt war: »Welchen Nutzen hat es, sich einem Handwerk zuzuwenden und es nicht zu erlernen?« Lerne das Handwerk deiner Menschwerdung und höre auf zu jammern!
3.
Das Wort »beginnen« bedeutet ursprünglich »urbar machen«. Beginnen ist mühsam. Da erscheint dein Leben wie ein Land voller Disteln und Steine, von Gehölz und Unkraut übersät, chaotisch, unfreundlich. Wenn du es urbar machen willst, musst du dir erst einmal ein Feld abstecken. Du kannst nicht das ganze Land deines Lebens in einem Jahr urbar machen. Entscheide dich, welches Stück deines Landes du in diesem Jahr urbar machen möchtest.
4.
Der weite Weg ist der Weg, den alle gehen. Du musst deinen ganz persönlichen Weg finden. Da genügt es nicht, sich nach den andern zu richten. Du musst genau hinhören, was dein Weg ist. Und dann musst du dich mutig entscheiden, diesen Weg zu gehen, auch wenn du dich dort sehr einsam fühlst. Nur dein ganz persönlicher Weg wird dich wachsen lassen und zum wahren Leben führen.
5.
Was sind die Gedanken, die uns tief in unserem Herzen prägen? Was ist unsere tiefste Sehnsucht? Was möchte ich mit meinem Leben verkünden? … Jeder hat eine prophetische Sendung