I. Der Himmel über uns
Euphorie
Strahlend hell empfängt er mich, umfängt mich mit seinem Blau: Der Himmel über uns. Die beklemmende Grenzüberquerung liegt wieder einmal hinter mir. In der orangefarbenen Ente meiner Freundin Christa mit Göttinger Kennzeichen erreiche ich in den frühen Morgenstunden Nordhausen. Dort treffe ich meinen Liebsten, Joachim Justus, den jungen Vikar in Salza. Endlich wieder einander in den Armen liegen…
Gemeinsam setzen wir die Fahrt über die holprige Fernverkehrsstraße F 80 Richtung Osten fort. Hier irgendwo werden wir einmal leben und arbeiten, aber wo genau?
Großflächige Felder fliegen rechts und links an uns vorbei. Später im Jahr werden hier Rüben gehackt, von Reihen fleißiger gebückt gehender Frauen, mit Kopftüchern zum Schutz gegen Sonne und Wind. Aber jetzt verzaubern weiß blühende Kirschbäume die Landschaft. Die Maisonne erwärmt mir das Herz für diese Schönheit der Natur. Nicht umsonst nennt man diese Ebene zwischen Kyffhäuser und Harz die Goldene Aue. Kirchtürme ragen rechts und links von der Straße sichtbar auf. Welcher mag einmal „unser“ sein? Wohin sendet die Kirche uns? Wir passieren die kleinen Dörfer. Schlichte Häuser mit rissigen grauen Fassaden. Menschen sind am Werkeln in Schuppen und Hof. In mir jubelt es. Bald werde ich hier sein und bleiben. Bald nie mehr getrennt. So gewiss bin ich mir, obwohl die nächsten Schritte so ungewiss sind. Wie wird sie möglich, die Übersiedlung in die DDR?
Wir erreichen die Kreisstadt Sangerhausen, umkreisen die Ringstraße dreimal vergeblich, bis wir dann doch noch das eine Schlupfloch in die Innenstadt finden. Sankt Jacobi, wir platzen mitten in den Sonntagsgottesdienst hinein. Vertraute liturgische Klänge mildern das Fremde, geben mir ein Gefühl von Heimat. „Das kennst du. Hier kannst du sein“, flüstert es in mir. Wir durchqueren dann das hügelige Harzvorland, die gemeinsame Zeit vergeht wie im Flug.
Pünktlich kurz vor Mitternacht erreiche ich wieder die Grenze. Heraus aus dem Dunkel unbeleuchteter Straßen – nun in grellweißes Licht getaucht. Ich bin die einzige Autofahrerin hier. Bleierne Müdigkeit überfällt mich nach diesem langen, schönen Tag – jetzt nur noch nach Hause und ins Bett. Da übersehe ich schon die erste rote Ampel, fahre drüber. Eine graue Gestalt taucht auf, nicht ein Fünkchen Humor in der Uniform, winkt STOPP. Zurück vor die rote Ampel, bitteschön. Diese schaltet nun auf Grün. Ich fahre wieder vor, amüsiert und genervt über soviel deutsch-deutsche Korrektheit und Machtgetue. Dann das Übliche, Passkontrolle, Zoll … Das große metallschwere Tor zur Freiheit öffnet sich, ich fahre hindurch, übersehe schon wieder etwas, diesmal diese bahnweisenden rot-weiß-gestreiften Plastikhütchen, wie man sie von Baustellen kennt. Sie purzeln, kegeln, und im Rückspiegel seh’ ich die wild gestikulierenden Arme der Grenzer … „Jetzt könnt ihr mich mal …; hier ist eure Macht zu Ende, ich bin durch“, denke ich nur noch und fahre in die Nacht.
Misstrauen bei der Staatssicherheit
„Wer ist diese BRD-Bürgerin Schnübbe? Immer wieder reist si