Weil Bruno Lacombe in meinen Briefings als Lehrer und Mentor von Pascal Balmy und seiner Gruppe dargestellt worden war, suchte ich in seinen E-Mails nach Aufschlüssen darüber, was sie schon getan hatten und was sie noch planten.
Sechs Monate zuvor waren auf dem Gelände eines gewaltigen industriellen Wasserspeichers, der unweit von Le Moulin, in der Nähe des Dorfs Tayssac, gebaut wurde, Erdbaumaschinen sabotiert worden. Fünf riesige Bagger, jeder einzelne von ihnen Hunderttausende Euro wert, wurden im Schutz der Nacht in Brand gesetzt. Pascal und seine Gruppe standen unter Tatverdacht, Beweise gab es bisher jedoch nicht.
Brunos Mails an Pascal deckten zwar ziemlich viel ab, aber etwas Belastenderes als seine Feststellung, dass Wasser ins Grundwasser gehöre und nicht in industrielle Auffangbecken, hatte ich nicht entdeckt. Bruno fand es beklagenswert, dass der Staat gemeint habe, es sei eine gute Idee, Grundwasser aus unterirdischen Hohlräumen, Seen und Flüssen abzuzapfen und dieses Wasser in großen, mit Plastik ausgekleideten «Megabassins» zu speichern, wo es Wandergifte absorbieren und in der Sonne verdampfen würde. Das sei eine tragische Idee, mit einer zerstörerischen Kraft, die vielleicht nur jemand verstehen könne, der beträchtliche Zeit unter der Erde verbracht habe. Wasser sei schließlich bereits gespeichert, schrieb er, in den natureigenen, genialen Filtrier- und Aufbewahrungseinrichtungen innerhalb der Erde.
Bruno Lacombe, das wusste ich, war gegen die Zivilisation, ein «Antizivilo» im Aktivistenslang. Und das ländliche, südwestliche Département Guyenne – sowie dieser entlegene Winkel davon, in den ich mich gerade begeben hatte – war für Höhlen bekannt, in denen es Hinweise auf frühe Menschen gab. Aber ich hatte angenommen, Bruno würde Pascals Strategien steuern, die staatlichen Industrieprojekte hier in der Gegend zu stoppen. Auf die Idee, dass dieser Mentor von Pascal dem fanatischen Glauben an eine gescheiterte Gattung anhängen könnte, war ich nicht gekommen.
Wir sind uns alle einig, schrieb Bruno, dass es derHomo sapiens war, der die Menschheit Hals über Kopf in die Landwirtschaft, das Geldwesen und die Industrie trieb. Aber das Rätsel, was mit dem Neandertaler und seinem bescheideneren Leben passiert ist, bleibt ungelöst. Mensch und Neandertaler, so Bruno, hätten sich womöglich gute zehntausend Jahre überschnitten, nur verstehe bisher niemand genau, ob und wie diese beiden Gattungen interagiert hätten. Ob sie zum Beispiel voneinander gewusst, aber Abstand gehalten hätten. Oder ob Europa in der Zeit ihrer Überschneidung so spärlich bevölkert gewesen sei, dass inmitten schroffer und unwegsamer, von Wald, Gebirge, Fluss und Schnee geprägter Gebiete die eine Gattung nicht habe ahnen können, dass die andere da war. Andererseits hätten Genforscher herausgefunden, dass sie sich vermischt, Nachwuchs miteinander gezeugt und mithin durchaus gewusst hätten, dass der andere «da war». Waren das Liebesverbindungen gewesen? Oder Vergewaltigungen, also Kriegsbeute? Wir würden es nie erfahren, schrieb er.
Zuerst fragte ich mich, ob diese E-Mails über die Neandertaler eine List waren, eigens von Bruno platziert, um von seiner eigentlichen Korrespondenz mit Pascal und den Moulinarden abzulenken, falls sich jemand Zugang zu seinem Account verschaffte. Er machte dort lange Ausführungen, schrieb aber nichts über Sabotage und kam immer wieder auf die Neandertaler zurück – eine Gattung, die es nicht gepackt hatte, seien wir mal ehrlich, sonst wäre sie ja noch da, und das war sie nicht. Sie war vor Tausenden von Jahren verschwunden, niemand schien zu wissen, warum, und kein Neandertaler hatte sich gemeldet, um es uns zu erklären.
Bruno sperrte sich