1. KAPITEL
Tina rückte die Maske zurecht, die ihr Gesicht bedeckte, und sah sich gut gelaunt in dem festlich geschmückten Saal um. Das Kostümfest war in vollem Gang, die Gäste tanzten zur mitreißenden Musik der Band. In den nächsten Stunden durfte sie vergessen, wer sie war – die älteste Prinzessin des winzigen Königreichs Chantaine.
Die Einladung ihrer ehemaligen Schulfreundin Keely nach Dallas zur Taufe von deren Tochter war ihr gerade recht gekommen. Länger hätte sie die mitleidigen Blicke nicht ertragen, die die Leute ihr zuwarfen, sobald die Rede auf die Heirat ihrer schönen jüngeren Schwester mit dem berühmten Pariser Regisseur kam. Natürlich freute sie sich für Fredericka, aber die ständigen Fragen, wann sie selbst zu heiraten gedachte, trieben sie fast zur Verzweiflung. Selbst ihr Bruder hatte das bevorstehende Ereignis zum Anlass genommen, ihr eine für das Land günstige Verbindung vorzuschlagen.
All das wollte sie an diesem Abend vergessen. Niemand kannte ihre Identität, außer ihrer Freundin und deren Ehemann, die am anderen Ende des Saals miteinander tanzten und ihr gerade zuwinkten.
Tina erwiderte den Gruß, als ein Fremder sie ansprach.
„Wollen Sie tanzen?“
Überrascht blickte sie auf. „Nein danke. Ich sehe lieber zu.“
„Kann ich Sie mit einem Drink auflockern?“
Verärgert über seine Hartnäckigkeit, betrachtete sie ihn. Der Mann mit dem nach hinten gekämmten Haar war gut zehn Zentimeter kleiner und sprach extrem nasal. Tina, die eine Vorliebe für volltönende tiefe Stimmen hegte, schüttelte den Kopf. „Wirklich nicht. Entschuldigen Sie, ich habe gerade Bekannte entdeckt.“
Sie ging davon und ließ ihn stehen. Unterwegs nahm sie sich vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners ein Krabbenküchlein, von einem anderen ein Glas Sekt. Gleich darauf gesellte sich Keely zu ihr. „Wie gefällt es dir? Möchtest du wirklich nicht, dass ich dir ein paar Leute vorstelle?“
„Untersteh dich. Ich finde es herrlich, dass niemand weiß, wer ich bin.“
„Vermutlich ist es schön, einmal nicht die Prinzessin spielen zu müssen.“
„Es ist ja nur vorübergehend“, meinte Tina schuldbewusst. Sie war sich der Annehmlichkeiten durchaus bewusst, die ihre Position mit sich brachte, doch in letzter Zeit drohten ihre Pflichten sie zu erdrücken. „Morgen Nachmittag kehre ich nach Chantaine zurück. Die kurze Zeit mit dir hat mir unendlich viel bedeutet.“
„Kannst du nicht länger bleiben?“
„Leider nein. Die Hochzeit findet bereits in zwei Monaten statt.“
„Wie üblich stellst du deine Wünsche zurück. Warte nur, irgendwann rebellierst auch du.“
Tina lachte. „Bestimmt nicht. Irgendwer muss in Chantaine ja schließlich die Stellung halten.“ Sie wies auf die Tanzfläche. „Verschwende