Kapitel1
„Wer als Erster an der Treppe ist“, rief Lucy Fairwright ihrer Großmutter zu, als sie in Wandsworth Town aus dem Zug stiegen.
„Was? Mit meinen Klapperknochen?“, erwiderte die alte Lady. Fahrig nestelte sie an ihrem bunten Kopftuch und dem gelben Strickschal herum. „Brr … ist das kalt heute Abend!“
Lachend wich Lucy einem Geschäftsmann aus, der auf sein Handy glotzte, und stürmte über den Bahnsteig zur steilen Treppe, die hinunter zur Straße führte. Den animierten Werbeanzeigen für Luxus-Parfüme, E-Autos und die neuste Streaming-Serie über eine Gruppe Teen-Superhelden schenkte sie nicht die geringste Beachtung. Schließlich gab es dort, wohin sie mit ihrer Großmutter gerade unterwegs war, mehr Wunder als alles, was die normale Welt zu bieten hatte.
„Halt dich bloß am Geländer fest. Es könnte eisglatt auf den Stufen sein“, wehte Oma Serenas Stimme hinter Lucy her, als sie die Treppe hinunterhüpfte.
Lucy störte sich nicht an ihrer übertriebenen Fürsorge. Das war nur so was wie die berühmte unliebsame Kunstkirsche auf dem Kuchen. Worauf es ankam, war der Kuchen selbst. Und nach Lucys Meinung war Oma Serena sozusagen der weltbeste Kuchen, den man kriegen konnte: wohltuend und fruchtig, mit einer süß saftigen Mitte.
„Schneller, Lahmente!“, rief sie vom Fuß der Treppe empor.
„Das geduldige Mädel kassiert am Ende stets den Hauptgewinn.“
Oma Serena hatte für jede Lebenslage ein Sprichwort auf Lager. Lucy kannte sie alle. Aber am hellsten erstrahlte dasjenige in ihrem Geist, das ihre Oma von sich gegeben hatte, als Lucy gerade mal vier Jahre alt gewesen war. Am Tag des schrecklichen Autounfalls, b