(000001) Fallon
Verstohlen warf ich einen Blick über die Schulter und versicherte mich nun schon zum dritten Mal innerhalb weniger Augenblicke, dass ich auch wirklich allein war. Doch nachdem Samuel, mein Chef, vor exakt drei Minuten das Großraumbüro für die Mittagspause als Letzter verlassen hatte, war bisher niemand wiedergekommen. Ein unruhiges Flattern breitete sich in meiner Brust aus, während ich nach dem Laptop in meinem Rucksack griff und ihn vor mir auf den Schreibtisch stellte. Ich versuchte, das Gefühl beiseitezuschieben, immerhin war es nicht so, dass ich etwas Verbotenes tat. Nur etwas, dass ich um jeden Preis geheim halten wollte. So wie damals, als ich mich heimlich fürTwilight ins Kino geschlichen hatte, ohne dass Dad etwas davon mitbekam.
Mein Herz hämmerte mit der Wucht eines kleinen Presslufthammers gegen den Brustkorb, und nicht einmal das tiefe Ein- und Ausatmen half. Ich wollte nicht. Wirklich nicht. Aber es war nicht so, dass ich eine andere Wahl gehabt hätte.
Für einige Sekunden schloss ich die Augen und holte erneut Luft, ehe ich mir in Gedanken meinen Passsatz aufsagte und das erste Zeichen eines jeden Wortes des Refrains von Taylor SwiftsI Did Something Bad ins Eingabefeld eintippte. Natürlich mit Satzzeichen und einigen Zahlen, die ich statt der entsprechenden Buchstaben verwendete. Immerhin hing von diesem Passwort praktisch mein Leben ab.
Sofort erschien mein Manuskript auf dem Display, und wie aus einem Reflex sah ich mich erneut um.
Ich war immer noch allein.
»Reiß dich zusammen, Fallon«, murmelte ich und legte die Finger auf die Tasten. Eigentlich hatte ich dieses Kapitel gestern Abend fertig schreiben wollen, war dann aber vor lauter Erschöpfung über der Tastatur eingeschlafen. Das machte sich nicht nur in extrem fiesen Nackenschmerzen bemerkbar, sondern auch reihenweise wirrer Buchstaben. Meine Wange war wirklich fleißig gewesen und hatte es geschafft, ganze zwanzig Seiten zu füllen, ehe ich mich ins Bett geschleppt hatte. Wenn ich auch nur halb so schnell schreiben würde, dann wäre das Manuskript in einem Monat fertig. Aber meine Finger und mein Gehirn waren im Vergleich zu meiner Wange nur zu Schneckentempo fähig, weswegen ich nun zu drastischeren Maßnahmen greifen musste.
Wie eben heimlich in der Mittagspause meiner eigentlichen Arbeit zu schreiben. Da sich alle Kollegen um diese Zeit durch das Mittagsangebot verschiedener Pubs probierten, hatte ich das Büro wenigstens für eine knappe Stunde für mich ganz allein.
Ein allerletztes Mal blickte ich mich um, doch der Testosteronspiegel in diesem Raum war noch nicht wieder gestiegen, also wandte ich mich dem blinkenden Cursor zu, der mich begrüßte. Zunächst löschte ich den riesigen Buchstabenblock, was meinem Wordcount zumindest keinen allzu großen Stich versetzte, da es nur als ein Wort gezählt worden war, ehe ich den Satz zu Ende schrieb, bei dem ich mittendrin aufgehört hatte.
Das Knacksen meiner Finger ertönte, dann legte ich diese wieder auf die Tastatur und begann, das Kapitel weiterzuschreiben. Es war diese Art von Szene, bei der ich als Leserin am liebstenJetzt fallt doch endlich übereinander her! in ein Kissen geschrien hätte. Und meine Protagonisten waren kurz davor, immerhin waren sie gemeinsam in einer winzigen Abstellkammer des Bürogebäudes gelandet, in der man sie auf keinen Fall zusammen erwischen durfte.
Es wäre wirklich das perfekte Setting für eine erste heiße Szene, doch ich beschloss, die beiden noch ein wenig länger zu quälen. Sie und vermutlich auch meine Leserschaft. In der Hinsicht war ich keinen Deut besser als meine Kolleginnen. Wir liebten es einfach, andere zappeln zu lassen.
»Fallon, kann ich kurz mit dir reden?«
Mir wurde heiß und kalt zugleich, und wie aus Reflex schlug ich den Laptop zu, während ich mit aller Mühe versuchte, nicht auszusehen, als hätte ich heimlich Papier aus dem Drucker geklaut. Was verdammt schwierig war, da mein Chef plötzlich neben meinem Schreibtisch stand und mich m