»Und du hast alle Antworten gewusst?«, fiel Giovanni seinem Sohn ins Wort.
Mario nickte stolz.
»Das ist wirklich enorm!«, sagte Giovanni und zupfte prüfend an der Angelschnur, ob schon einer angebissen hatte. »Jetzt stell dir mal vor, das ganze schöne Geld aus deiner Prüfungsfrage würde uns gehören … in einem Jahr hättest du es glatt verdreifacht!«
Mario streckte sich im Gras aus und blickte in den blauen Himmel, der ihm wie eine mit Kreide bestäubte Tafel vorkam.
»Zahlen sind das eine, Papà, Geld etwas anderes.«
»Mein Sohn ist jetzt Buchhalter … Buchhalter Mario Vivaldi.« Mit kühnem und distinguiertem Tonfall fuhr Giovanni fort: »Dottore, darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen? … Aber bitte doch! … Buchhalter Mario Vivaldi – Dottor Spaziani, Abteilungsleiter Personalbüro, Pensionsbehörde … Sehr erfreut!« Er lachte.
»Du wirst deinen Weg gehen, so wahr mir Gott helfe. Und du fängst da an, wo ich nach dreißig Dienstjahren aufhöre … mit gerade mal zwanzig. Ein junger Mann, der etwas werden will, denkt nur an sein Fortkommen, an nichts sonst, sollen die anderen sich den Strick nehmen!«
Bei diesen Worten umklammerte Giovanni die Angelrute, als wolle er jemanden erwürgen.
» … Ab morgen wird alles anders … Von meinem ersten Gehalt kaufen wir einen neuen Fernseher und du kannst dir ein anderes Auto leisten … der Fiat fällt doch komplett auseinander«, sagte Mario etwas großspurig, um dem Vater seine Dankbarkeit zu zeigen.
»Du darfst nur an dich denken, nur an dich«, wiederholte der Vater vom Gipfel seiner Weisheit herab. »Heutzutage musst du ständig auf der Hut sein, ehe du dich’s versiehst, ist dir der Feind in den Rücken gefallen. Du darfst keine Sekunde zögern, musst stur deinen Weg gehen und darfst nicht zurückschauen. Deine Mutter und ich sind glücklich: Unser einziger Sohn hat es zum Buchhalter gebracht. Was wollen wir mehr?! Wir sind alt und wünschen uns nur, in Frieden und mit ruhigem Gewissen zu sterben …«
Mario setzte sich auf und sah seinem Vater demonstrativ forsch in die Augen, dabei kamen ihm vor Rührung fast die Tränen.
Giovanni warf ihm einen kurzen Blick zu und klopfte ihm halb lächelnd auf die Schulter.
Endlich biss einer an. Der rote Korkschwimmer verschwand unter der glatten Oberfläche des Weihers. In jäher Anspannung sprangen der alte Vater und der junge Sohn auf.
»Es ist so weit«, presste Giovanni mit mühsam unterdrückter Stimme hervor, um sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
Mario hingegen trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und ließ die Fingerknöchel knacken.
Es war eine Forelle, etwa eine Hand lang, mit einem kurzen, stumpfen Kopf und einem breiten Maul voller Zähne an Gaumen und Zunge.
Der Fisch schoss aus dem Wasser hoch hinauf, als wolle er in den Himmel fliegen; dann fiel er mit einem dumpfen Schlag in das glitschige Ufergras. Sofort waren vier entschlossene Hände über ihm und beförderten ihn hastig ein Stück vom Wasser weg. Giovanni bekam das wild zappelnde kleine Tier zu fassen und hielt es mit aller Kraft fest.
»Einen Stein«, rief er seinem Sohn zu. »Hol mir einen Stein.«
Mario packte einen Stein und brachte ihn dem Vater. Der legte den Fisch auf einen großen Kiesel und schlug hart auf den Kopf des zuckenden Tieres ein. Blut rann über den Boden, doch der Fisch schien sieben Leben zu haben: Als Giovanni schon nicht mehr damit rechnete, zuckte er noch einmal mit dem Schwanz … und schon fuhr der spitze Stein wieder und wieder auf ihn herab.
Endlich gab der Fisch für immer Ruhe.
»Ist er tot?«, fragte Mario.
»Er ist tot«, erwiderte Giovanni.
Der Angelhaken steckte tief im Magen der Forelle und ließ sich mit allem Ziehen und Zerren nicht befreien.
»Man merkt, dass du kein Profi bist«, sagte Mario und verzog den Mund zu einem Lächeln, seine Lippen waren seltsam bräunlich verfärbt, als bedeckte sie ein leichter Flaum.
»Das lerne ich noch!«, rief der alte Vater und riss mit einer energischen Handbewegung den Haken aus dem Fischleib. Doch zusammen mit dem Haken kamen auch der Magen und die verschlungenen Eingeweide des Tieres zum Vorschein.
»So! Und nun, wo wir ihm Kopf und Innereien entfernt haben, müssen wir ihn nur noch zubereiten«, schloss er mit übertriebener Strenge.
Der Fiat 850 hielt vor einer Holzbaracke in der Nähe des Weihers. Ringsumher erstreckte sich die fahle Landschaft, so weit das Auge reichte, bi