1. Kapitel
Kurz vor St. Aidan, Cornwall
Pailletten und nachfolgender Wind
Mittwoch
Als ob ich es nicht geahnt hätte! Nach dreihundert Meilen reibungsloser Fahrt seit London entscheide ich mich eine halbe Stunde vor St. Aidan für die Abkürzung, und jetzt steht mein treuer Mini-Cabrio im Stau.
Ich sehe stöhnend Shadow, den Hund, an, der kurz seinen großen braunen Kopf hebt und es sich dann wieder auf der Rückbank bequem macht. Er liegt auf den Taschen, die ich nicht mehr im Kofferraum verstauen konnte. »Es ist erst April und nicht einmal warm genug, um mit offenem Verdeck zu fahren. Die Ferienstaus können doch noch nicht begonnen haben, oder?«
Ich schlage mit der flachen Hand auf das Lenkrad, denn selbst mein Mitsingen zu Miley Cyrus’Flowers hilft nicht. Ich hoffe, die ersten leisen Zweifel, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, nach Cornwall zurückzukehren, wachsen sich nicht zu einer handfesten Krise aus und führen mir nicht all die Nachteile vor Augen, die ich in dem Jahrzehnt, seit ich weggezogen bin, vergessen habe. Ich blicke über eine Hecke auf das weite blaue Meer jenseits der Weiden und die malerischen pastellfarbenen Häuser von St. Aidan in der Bucht und klammere mich an den Optimismus, der mich hierhergeführt hat.
Als meine Mum mich Ende Januar anrief, um mich zu fragen, ob ich das Strandhaus von ihrer Freundin Ivy zu einem supergünstigen Preis kaufen wolle, kam es mir wie ein glücklicher Zufall vor. Klar, eine baufällige Hütte auf den Sanddünen in einem Dorf am Rand der Welt hatte ich zu der Zeit nicht unbedingt auf dem Schirm. Aber da mein Leben in London gerade zerbröckelte, sah ich darin den Rettungsanker, auf den ich gewartet hatte.
Vier Jahre zuvor war ich Ende zwanzig, und alles, was ich je gewollt hatte, traf endlich ein. Ich war Teammanagerin in einer angesagten postindustriellen Bar namensThe Circus, in der sich nur die Hochseilartisten in luftigeren Höhen befanden als die Preise. Ich war verliebt in meinen hinreißenden Freund Dillon, einem talentierten Ingenieur und Kindheitsfreund, den ich mit dreiundzwanzig wiedergetroffen hatte, und zwar Silvester auf dem Dorfplatz von St. Aidan. Wir wohnten in einer mondänen Mietwohnung und waren uns unserer gemeinsamen Zukunft dermaßen sicher, dass wir unsere Eheringe heimlich selbst anfertigten. Da waren wir also, recherchierten Flitterwochen-Ziele und debattierten darüber, ob wir unsere Ersparnisse in die Anzahlung einer Eigentumswohnung, eine spektakuläre Flucht oder die Hochzeit des Jahrzehnts investieren sollten. Die öffentliche Ankündigung unserer Verlobung stand unmittelbar bevor. Und dann fegte das Ergebnis einer Routineuntersuchung auf Gebärmutterhalskrebs alles einfach weg.
Aber das stimmt nicht ganz. Meine Krebsdiagnose schockierte uns, aber danach sagte ich ihr den Kampf an, und Dillon stand mir bei. Wenn ich nicht arbeiten konnte, hätte ich mir keine bessere Unterstützung wünschen können. Als ich wieder anfing zu kellnern und feststellte, dass