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KULTUR
GLEICHGEWICHT HALTEN
Obwohl die Kulturen von den drei verschiedenen AspektenSchuld, Scham und Angst geprägt sind, kann man eine bestimmte Kultur nicht auf eine dieser drei Perspektiven reduzieren. Alle drei Bereiche spielen dynamisch zusammen und überschneiden sich in allen Gesellschaften.
In dem Beispiel von Maryam haben wir gesehen, wie Scham- und Angstdynamiken miteinander verflochten sind. Selbst innerhalb einer Kultur gibt es Schwankungen, je nach Region, Alter, Geschlecht usw. Ein Thailänder vom Land wird wohl viel mehr angstorientiert denken als ein Städter aus Bangkok. Junge Erwachsene in denUSA legen heute mehr Wert auf Echtheit und Beziehungen, so dass sie schamorienterter werden als ihre Eltern. Die Natur des Menschen ist so komplex, dass man sie nicht in Kategorien von „entweder oder“ fassen kann.
Besser ist es, wir verwenden ein Kulturmodell, das den Einfluss misst, den jeder der drei Dynamikbereiche auf die jeweilige Gruppe ausübt. Auf der Abbildung auf der folgenden Seite ziehen die Kräfte Schuld, Scham und Angst in verschiedene Richtungen. Die Orientierung einer Kulturgruppe wird durch die Position innerhalb des Dreiecks dargestellt, je nachdem, wie stark die jeweiligen Kräfte auf die Kultur einwirken:
(Nur zur Illustration, basiert nicht auf Forschungsergebnissen)
In jedem kulturellen Weltbild finden wir eine einzigartige Mischung aus Schuld, Scham und Angst. Daher istnahe des oberen Winkels (nichtim Winkel) eine schamorientierte Kultur platziert. Roland Muller, der viele Bücher über Mission herausgegeben hat, sagt, dass diese drei Dynamiken wie die drei Grundfarben sind, aus denen ein Künstler alle möglichen Farben mischen kann. Wieviel von einer Farbe zum Einsatz kommt, bestimmt letztlich als Endergebnis die Kultur, die daraus hervorgeht.4
Die Dreiteilung Schuld – Scham – Angst dient wie jedes andere Kulturmodell der Vereinfachung, um eine sehr komplexe Realität verstehen zu können und das Ganze überschaubarer zu machen. Obwohl jede Kultur einzigartig ist, finden wir in allen Kulturen Grundzüge, mit denen wir sie in diese drei Kulturtypen (Scham-, Angst-, Schuld-Kultur) einteilen können. Die folgenden Abschnitte geben Ihnen eine Zusammenfassung über die Eigenarten dieser drei Kulturtypen:
KULTURTYP SCHULD – UNSCHULD
„Charakter ist, das Richtige zu tun,
selbst wenn niemand hinsieht.“
(Quelle unbekannt)
Die Einteilung in Richtig und Falsch bildet die Grundlage von Schuld-Unschuld-Kulturen. Die Gesellschaft etabliert Regeln und Gesetze, die bestimmen, welches Verhalten akzeptabel ist, was richtig und was falsch ist. Ein reifer Mensch kennt Recht und Unrecht – er ist ein „gesetzestreuer Bürger“.
Durch rechtes Verhalten bleibt man unschuldig,