1.
DARF ICH VORSTELLEN:
BUBER!MARTIN BUBER13
Ich möchte die Leserinnen und Leser in diesem Büchlein mit einem besonderen jüdischen Weisen ins Gespräch bringen. Wenn ich sage „ins Gespräch bringen“, dann folge ich seiner eigenen, oft zitierten Aussage14:
„Ich muss es immer wieder sagen: ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas. Ich zeige die Wirklichkeit, ich zeige etwas an der Wirklichkeit, was nicht oder zu wenig gesehen worden ist. Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus. Ich habe keine Lehre. Ich führe ein Gespräch.“
Nun mag man zu Recht fragen, ob Buber in all seinen Schriften nicht doch auch lehrt, das heißt bewusst ein bestimmtes Menschen-, Welt- und Gottesbild vermittelt. Und dennoch weist das Zitat auf einen springenden Punkt seines „Lehrens“ hin: Er vermittelt nicht von oben herab Dogmen, er „trichtert“ uns nicht etwas ein (ein Bild, das er selber gebraucht), er verwickelt uns vielmehr in Überlegungen und Gespräche, die uns neue Horizonte für unser Leben, für die Wahrnehmung der Welt und für die Begegnung mit Gott eröffnen.
Der, der so spricht, hat zwei Weltkriege erlebt. Er hat die zionistische Bewegung miterlebt und die Rückkehr der Juden nach Palästina selber mitgestaltet. Er war in den geistlichen Bewegungen des osteuropäischen Judentums (dem Chassidismus) ebenso zu Hause wie in der modernen, westeuropäischen Bildung – immerhin studierte er in Wien, Leipzig, Zürich und Berlin die Fächer Nationalökonomie, Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte, Psychiatrie und Psychologie.
Auf dem Humus dieser Erfahrungen, Kenntnisse und Erkenntnisse ist ein Lebenswerk gewachsen, das bis heute Früchte trägt. Seine Einsichten in die Wirklichkeiten von Gott und Welt, von Individuum und Gemeinschaft sowie von Philosophie und Religion sind in vielen seiner Schriften dokumentiert, und unzählige Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich bis heute mit seinem Lebenswerk.
Formal hat man ihn einen Religionsphilosophen genannt, aber er war viel mehr: Mystiker, Schriftsteller, Theologe, Übersetzer hebräischer Schriften, Dialogpartner von Philosophen, Theologen und Politikern – und nicht zuletzt Pädagoge.
Martin Buber wird 1878 in Wien geboren. Seine Eltern trennen sich bereits 1881 und der dreijährige Martin wächst bei seinen Großeltern in Lemberg in Galizien auf, dem heutigen Lwiw in der Ukraine. Sein Großvater Salomon Buber ist „nicht nur ein erfolgreicher und wohlhabender Geschäftsmann, Großgrundbesitzer und Banker“,15 er ist zu seiner Zeit auch ein bekannter Experte der jüdischen Bibelauslegung (Midrasch) und der jüdischen Frömmigkeitsbewegung des Chassidismus.
In diesem Milieu wächst Martin Buber in den jüdischen Glauben hinein und diese chassidische Frömmigkeit hat ihn später dazu bewogen, jahrelang an der Sammlung, Übersetzung und Deutung chassidischer Erzählungen zu arbeiten, und diese in einem umfangreichen Werk zu publizieren.16 Auch wenn seine Beziehung zu dieser speziellen chassidischen Frömmigkeit nicht ungebrochen blieb, haben ihn diese geistlichen Kindheits- und Jugendwurzeln doch wohl zeitlebens spirituell geprägt.17
Dieser religiösen Prägung gewissermaßen gegenüber steht seine akademische Bildung, die er an verschiedenen europäischen Universitäten erworben hat. So ist er auch zu einem führenden jüdischen Denker geworden, bewandert in Aufklärungsdenken und in modernen Wissenschaften wie Philosophie und Sprache, Psychologie und Pädagogik.
Buber hat seine geistig