: Bernhard Ott
: Tänzer und Stolperer Wenn die Bergpredigt unseren Charakter formt
: Neufeld-Verlag
: 9783862567935
: 1
: CHF 14.20
:
: Christliche Religionen
: German
: 228
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wie kann diese Welt wieder ins Lot kommen? Das beschäftigt nicht nur uns Menschen, das beschäftigt auch Gott. Dass Gott sein Reich aufrichtet, heißt nichts anderes, als dass er seine Welt wieder ins Lot bringen wird. Dabei setzt er bei der Transformation des Menschen an: Nichts braucht diese Welt dringender als aufrechte, integre und dienende Menschen. Tugenden und Charakter sind gefragt. Genau davon spricht die Bibel. Sei es die Weisheit des Alten Testaments oder das Leben und die Lehre von Jesus - immer geht es darum, wie Menschen in Beziehung zu ihrem Schöpfer wahrhaftig Menschen werden können. Bernhard Ott zeigt anschaulich, dass es beim christlichen Glauben nicht darum geht, dass wir vom Menschsein erlöst, sondern zum Menschsein befreit werden. Mit dem Menschen und mit der ganzen Schöpfung wird es dann gut, wenn wir die Musik des Himmels hören und danach tanzen. Ausgehend von der Bergpredigt und im Gespräch mit Dietrich Bonhoeffer und Martin Buber fragt der Autor in diesem Buch nach den Werten und Tugenden des Reiches Gottes und wie diese in unserem Leben Gestalt gewinnen können.

Dr. Bernhard Ott, Jahrgang 1952, lebt in Liestal/Schweiz. Er ist verheiratet, Vater von vier erwachsenen Kindern sowie mehrfacher Großvater. Otts sind in einer täuferischen Gemeinde in Basel zuhause. Bernhard Ott hat Theologie in der Schweiz, in den USA und in England studiert und am Oxford Centre for Mission Studies promoviert. Nach vielen Jahren Lehr- und Leitungstätigkeit an verschiedenen theologischen Seminaren sowie Vortrags- und Beratungstätigkeit in über 20 Ländern ist er heute freischaffender Dozent, Referent und Autor. Außerdem ist er Professor extraordinarius der University of South Africa, Professor& Supervisor of Doctoral Research and Dissertations an der European School of Culture and Theology/Akademie für Weltmission in Korntal/Stuttgart sowie Vorsitzender des European Council for Theological Education. Seit mehr als 20 Jahren liegt sein Forschungs- und Lehrschwerpunkt im Bereich der theologischen Bildung. In seiner Dissertation geht es um das Thema 'Integrating Mission and Theological Education'. Sein daraus hervorgegangenes Handbuch Theologische Ausbildung wird weltweit gelesen. Energie, Kreativität und Weitblick tankt Bernhard Ott am liebsten auf Bergtouren in den Alpen. Sein Anliegen ist es, Menschen zu fördern, aus der Begegnung mit Gott Tugenden des Reiches Gottes zu entfalten und so zum Aufblühen von Kirche und Gesellschaft beizutragen.

PROLOG


Stellen wir uns die Welt als eine Bühne vor, auf der wir das Leben wie ein Drama inszenieren. Als christlicher Theologe sehe ich in der biblischen Erzählung so etwas wie das Drehbuch, das uns unser Schöpfer in die Hand gegeben hat. Es geht also ganz konkret darum, wie wir unser Leben gestalten – persönlich, in unserem sozialen Umfeld, aber auch als Gesellschaft. Bühne – Drehbuch – Inszenierung; das sind Metaphern, die uns durch dieses Buch begleiten werden.

Als Prolog führt uns eine kleine Geschichte mitten ins Thema des Dramas hinein:

Es war einmal ein kleiner Bub.

Ein pfiffiger Kerl. Und quicklebendig. Sein Vater saß in der gleichen Stube und wollte Zeitung lesen. Unmöglich. Zu viel Lärm. Da kam dem Strapazierten urplötzlich ein rettender Gedanke: Papi greift aus dem nahen Gestell ein altes Buch. Schlägt es auf und reißt ein Blatt mit der Abbildung einer Weltkarte heraus. Er zerstückelt es und ruft dem Buben zu: »Hej, Timi, ich habe ein interessantes Spiel für dich! Setz die Fetzen dieser Weltkarte richtig zusammen, da hast du Klebstreifen. Wenn’s dir gelingt, bekommst du einen Euro.«

Und schon sitzt Timi in einer Ecke und arbeitet still. Der Vater freut sich über die Ruhe. Sie wird lange dauern bei der schwierigen Aufgabe.

So denkt er.

Weit gefehlt! In wenigen Minuten hält der kleine Pfiffikus dem erstaunten Vater die fehlerlose Arbeit unter die Nase. Kopfschüttelnd fragt dieser immer wieder: »Wie konntest du nur … und in dieser kurzen Zeit … und eine Karte der Welt, die du gar nicht kennst?«

»Ganz einfach, schau da!« Und Timi zeigt dem Vater die andere Seite des Blattes, wo groß ein Menschenantlitz abgebildet ist. »Ich habe einfach das Menschenbild zusammengesetzt und dann stimmte es auf der anderen Seite auch mit der Welt!«

Der Vater schweigt. Lange. Dann sagt er nachdenklich immer wieder vor sich hin: Ja wirklich, so ist’s: Stimmt’s mit dem Menschen, dann stimmt’s auch mit der Welt.1

Johannes Niederers Geschichte bringt eine große Frage auf den Tisch: Was muss geschehen, damit es mit dieser Welt »wieder stimmt«? Und er lässt die Frage auch gleich durch den kleinen Timi beantworten: Es muss mit dem Menschen wieder stimmen, wenn es mit der Welt wieder stimmen soll. Wenn seine These stimmt – und ich gehe in diesem Buch davon aus –, dann müssen wir beim Menschen ansetzen. Das heißt aber auch, dass wir bei uns persönlich beginnen müssen.

Mit einer Liedstrophe von Kurt Rommel formuliere ich das am Anfang dieses Buches als Gebet:

Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.

Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zu Menschen zu werden.

Ich bin in der schönen Lebensphase, in der ich als Großvater meine Enkel aufwachsen sehen darf. Vom ersten Tag an sind sie ganz Menschen und gleichzeitig beginnt die Reise der Menschwerdung. Sie lernen an der »Erfahrung mit den Dingen« (Jean-Jacques Rousseau),2 im Raum der Familie und in der Begegnung mit Fremden. Sie gehen zur Schule, erlernen Berufe und studieren. Hoffentlich werden sie Menschen auf dieser Reise.

Das ist für mich aber auch die Lebensphase, in der ich auf meine Lebensreise zurückschaue. Was ist aus mir geworden? Bin ich ein Mensch geworden? Da geht es nicht nur darum, was ich weiß, was ich kann, was ich geleistet habe oder was ich besitze, sondern vielmehr darum, wer ich geworden bin. Das ist das Thema dieses Buches. Es geht um Persönlichkeit, um Identität und um Charakter.

Ein erster Überblick


InTeil 1 befassen wir uns mit der Bühne. Ich werde die Ausgangslage skizzieren. Die These, dass mit dieser Welt etwas nicht stimmt, soll entfaltet und begründet werden. Das ist ein eher düsteres Bild.

Ich bin mir eines gewissen Risikos sehr wohl bewusst. Es gibt eine fromme Untugend, die man immer wieder von christlichen Kanzeln hört, die darin besteht, zuerst diese Welt übertrieben schlecht zu reden, um dann den christlichen Glauben als einzige Lösung aller Probleme anzubieten. Oder etwas pointierter gesag