Damit ich unsere Erzählung beginnen kann, solltest du deine blühende Phantasie zunächst einmal auf eine vergangene Zeit richten, die in den Geschichtsbüchern kaum vorkommt. Nein, ich meine nicht die Zeit der Dinosaurier, das ist zu weit … nein, auch nicht die der Wikinger, das ist nicht weitgenug, und außerdem sind die Bibliotheken voll von Büchern über diese Krawallmacher. Nein, es geht um dasFINSTERE MITTELALTER. Genauer gesagt um das Jahr 511, ziemlich exakt also den Beginn dieses düsteren Zeitalters, was dieses Jahr vermutlich zu demfinstersten Jahr der Menschheitsgeschichte macht.
Das finstere Mittelalter war nicht etwa finster, weil es damals immer stockdunkel war (wie es im Winter auf Island ist), sondern weil niemandWIRKLICH weiß, was in dieser Zeit passiert ist. Niemand hat damals etwas darüber aufgeschrieben oder Fotos gemacht (natürlich nicht). Das finstere Mittelalter war eine Zeit voller Mühsal, Mysterien und ganz entscheidend – Magie.
Eines aber steht fest: An einem frischen Frühlingsabend im Jahr 511 versammelten sich König Paul und seine obersten Richter, um einem berüchtigten Gesetzesbrecher den Prozess zu machen. Sie kamen auf einer Waldlichtung in der Nähe des Örtchens Hupton Grey zusammen – heute kennt man sie als Oldwell Shoppingcenter in der Nähe von Bashingford an der A3. Damals sah dieser Wald natürlich ganz anders aus. Dort standen nämlich tatsächlich noch Bäume. Riesig und eindrucksvoll wirkten sie, vor allem, wenn das flackernde Licht der aufgestellten Laternen Schatten auf sie warf.
Eine Menge von ungefähr zweihundert Menschen hatte sich versammelt, um das Spektakel zu beobachten, das dort stattfinden sollte. Der Gestank wäre für neuzeitliche Nasen unerträglich gewesen. Selbst Könige oder Fürsten nahmen damals nur alle paar Monate ein Bad, aber die meisten der Zuschauer waren einfache Bauern, und die badeten vielleicht einmal in ihrem Leben, wenn es hochkam. Die Leute schubsten einander zur Seite und stellten sich auf die Zehenspitzen, um das Geschehen auf der Lichtung verfolgen zu können. Du darfst nicht vergessen, damals gab es noch kein Fernsehen und keine Laptops oder iPads. Für die Menschen war so etwas wie ein Kinobesuch. Einige hatten sich sogar einen kleinen Imbiss mitgebracht. Kein Popcorn natürlich, sondern geräucherte Schweineschnauzen und eingelegte Eier. Der Prozess gegen einen bekannten Gesetzesbrecher wie diesen war der reinste Kinohit. Und noch dazu in 3D.
«Der Angeklagte möge sich erheben!», dröhnte die Stimme des Zeremonienmeisters.
Ein Raunen ging durch die Menge, als der Angeklagte sich tatsächlich erhob, denn statt sich auf seine Füße zu stellen, stieg er im Schneidersitz in die Luft, bis er etwa zwei Meter über dem Boden schwebte. Die Ketten, mit denen er an einem riesigen Felsen festgebunden war, spannten sich und gaben ein schauderhaftes Geräusch von sich:
Da schwebte er nun, der berüchtigte Übeltäter, wie ein menschlicher Luftballon auf einer Geburtstagsparty. Er hatte die Augen ge