Der Wal
Das Ding war grau wie Staub und gekrümmt wie der Brennhut eines Alchemisten: unten bauchig, sich nach oben hin verjüngend. Es war nicht größer als ein halber Handteller. Plötzlich lag es auf dem Schreibtisch meines Vaters, ganz oben auf einem Stapel von Papieren, die er mit seiner hastigen Schrift bekritzelt hatte. Zuerst hielt ich es für einen Briefbeschwerer, das Fragment einer antiken Statue. Mein Vater sammelte nämlich, den lautstarken Protesten meiner Mutter zum Trotz, alle möglichen Objekte, egal ob sie menschengemacht oder ein Natur- oder Zufallsprodukt waren. Er grub sie aus, tauschte sie mit anderen Schatzjägern, hin und wieder kaufte er sogar ein Stück, sodass sein Atelier mittlerweile eher dem Laden eines Altwarenhändlers glich denn der Werkstatt eines Malers.
In Schachteln aus Birnbaumholz bewahrte er Teile von Märtyrerknochen auf, die großen Zehen vergangener Gottheiten und Nierensteine, die sein Schwager aus den Nachttöpfen seiner Patienten gefischt hatte. Er verstaute sie auf den Regalen zwischen zerfledderten, auf Hebräisch oder Latein verfassten Büchern und Abbildungen sezierter Körper aus dem Anatomieatlas; sorgfältig versiegelt in einer Glaskaraffe befanden sich sogar ein paar Haare desytzquinteporzotli und desxoloitzcuintli, des mexikanischen Hundes und Wolfes. Dieses stets im Halbdunkel liegende Zimmer, das nach Leim, verbranntem Holz und altem Papier roch, das Universum meines Vaters, als er noch nicht mein Vater war, übte auf mich eine unwiderstehliche Anziehung aus, wie ein Magnet auf einen Eisenspan.
Mein Vater wollte nicht gestört werden, legte jedoch nie die Kette vor die Tür. Im Grunde sah er mir gern zu, wie ich in seinen Schätzen stöberte. Meine Schwester Albina zeigte keinerlei Interesse für seine Zeichnungen und seine getrockneten Blumen. Er hob kaum merklich den Kopf vom Blatt und forderte mich mit an die Lippen gelegtem Finger auf, leise zu sein. Dann tauchte er die Feder in die Tinte und vergaß mich. Ich saß mit baumelnden Beinen auf einem Hocker und sah ihm zu, wie er schrieb, schrieb, schrieb. Keine Ahnung, was. Damals konnte ich gerade mal buchstabieren. Und ich verstand auch nicht, warum ein Maler so oft von der Feder Gebrauch machte.
Das Ding war jedoch weder das Fragment einer Skulptur noch ein Stein. Es stank durchdringend nach Meer und Fäulnis, als ob es einmal lebendig gewesen wäre und es zum Teil noch immer war. Es war Februar, aufgrund der Kälte mussten wir die Fensterläden geschlossen halten, und der Gestank verbreitete sich so rasch, dass einem übel wurde. Am ersten Tag forderte ihn meine Mutter angeekelt auf, das widerliche Ding verschwinden zu lassen. Mein Vater bedachte sie nur mit einem mitleidigen Blick. Schweig, dummes Weib, murmelte er, du hast ja keine Ahnung, wovon du sprichst. Das „widerliche Ding“ ist wertvoller als alles andere hier drinnen, sagte er tadelnd. Wie viel?, fragte meine Mutter, plötzlich interessiert, und streckte die Hand aus. Mein Vater gab ihr einen scherzhaften Klaps darauf. Manche Dinge sind so selten und kostbar, dass sie keinen Preis haben; ich würde es nicht einmal für tausend Scudi verkaufen. Für tausend Scudi würde ich sogar meinen Mann verkaufen, sagte meine Mutter lachend und blinzelte mir zu, doch leider ist er nicht so viel wert. Doch dann fügte sie überraschend liebevoll hinzu, Giovanni, wirf es weg, es verpestet die Luft, ich möchte nicht, dass die Kinder davon krank werden.