Kapitel 1
Eine Hexe braucht einen Zirkel.
Diese melodramatische Nachricht erwartet mich auf meinem Handy, als ich mit dröhnenden Kopfschmerzen in einem fremden Bett aufwache.
Meine Patentante Astrid sollte sich den Satz auf T-Shirts drucken lassen, denn ich kann nicht mehr zählen, wie oft sie ihn im letzten Jahr gesagt hat. Warum sie glaubt, nach der hundertfünfunddreißigsten Wiederholung eine andere Reaktion von mir zu erhalten als sonst, weiß ich nicht. Viel deutlicher kann ich nicht werden.
Ich habe kein Interesse, Teil des Zirkels zu sein. Ich habe kein Interesse an Magie.
Ich habe kein Interesse, eine Hexe zu sein.
Und ich habe ganz sicher kein Interesse an dem nackten Kerl, der seelenruhig neben mir schläft.
Ganz langsam bewege ich mich Richtung Bettkante. Natürlich quietscht das Bettgestell lautstark unter mir. Der Kerl regt sich, dreht mir sein Gesicht zu, doch seine Augen bleiben geschlossen.
Ich unterdrücke ein erleichtertes Seufzen.
Ich möchte nicht, dass er mir Frühstück anbietet, sondern weg sein, bevor er aufwacht.
Trotzdem verharre ich noch einen Moment unter der warmen Decke, da durch das angelehnte Fenster kalter Wind ins Zimmer dringt. Der Vorhang flattert wie ein müder Vogel mit seinen Flügeln. Sonnenstrahlen fallen aufs Bett. Dieses lächerlich sanfte Licht, das es nur ganz früh am Morgen gibt. Es scheint sein Gesicht zu streicheln. Dunkle Locken hängen ihm in die Stirn. Seine Züge sind so entspannt, als könnte er das Wort »Sorge« nicht einmal buchstabieren.
Das Bild, das sich mir bietet, ist so intim, dass mein Hals auf einmal zu eng ist, um zu schlucken.
Furchtbar.
Gestern bin ich auf die Dating-App gegangen, weil ich mich nach einem anstrengenden Abendessen mit meiner Patentante von meinen eigenen Gedanken ablenken wollte. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass dieses Date so … nah werden würde.
Ich schüttle meinen Kopf, als könnte ich die Erinnerungen an letzte Nacht abschütteln wie Staubflusen aus einer Decke.