1. KAPITEL
Es gab sicher weniger interessante Orte auf dieser Welt als ein altes Schloss, das nun eine Destillerie beherbergte. Das ausladende Steingebäude lag inmitten der Hügel von Benton Springs in Kentucky, und die Geschichte dieses jahrhundertealten Bauwerks war äußerst faszinierend … wenn auch nicht ganz so sehr wie die Frauen, denen die Destillerie gehörte.
Als Antonio vor zwei Tagen im spanischen Cadaqués in seinen Privatjet gestiegen war, hatte er nicht so recht gewusst, womit er rechnen sollte. Doch das wunderschöne alte Gebäude und die üppige Landschaft erinnerten ihn sehr an seine Heimat – den Ort, den er eigentlich unbedingt hinter sich lassen wollte. Wenn auch nicht so sehr das malerische Küstenstädtchen, sondern vielmehr das Vermächtnis, das schwer auf seinen Schultern lastete. Er hatte keine Ahnung, wie er seinen Eltern sagen sollte, dass er das von ihnen gegründete Familienunternehmen nicht übernehmen würde – das Geschäft, das eigentlich an seinen Bruder hatte vererbt werden sollen, ehe eine Tragödie ihnen allen ihre Zukunft gestohlen hatte.
„Sie müssen Antonio Rodriguez sein.“
Antonio wandte sich von der malerischen Landschaft ab und wäre beinah ins Stolpern geraten, als er sogleich die nächste Schönheit erblickte. Mit der breit lächelnden rothaarigen Frau, die da auf ihn zukam, hatte er nun schon einige Monate lang E-Mails ausgetauscht.
„Und Sie sind dann wohl Elise Hawthorne.“ Er hatte sich nicht nur über die Destillerie und die verschiedenen Spirituosen informiert, die sie anbot, sondern auch über die drei tatkräftigen Frauen, die sich hinter der Marke „Angels’ Share“ verbargen.
Elise war als CEO der Firma die direkte Ansprechpartnerin sämtlicher VIP-Kunden. Sie hatten sich nun schon seit längerer Zeit Nachrichten geschrieben, und sie war stets absolut professionell und zuvorkommend gewesen. Doch nichts hätte ihn darauf vorbereiten können, welche Wirkung sie persönlich auf ihn hatte. Wer hätte gedacht, dass eine Hornbrille so sexy wirken konnte?
Elise vereinte Intelligenz und Schönheit in sich – zwei Eigenschaften, die er absolut unwiderstehlich fand. Wenn er sich nicht auf die Arbeit und seine eigenen Probleme konzentrierte, könnte er allzu leicht in ein emotionales Chaos geraten, für das er eigentlich keine Zeit hatte. Schade! Er hätte Elise gern auch persönlich näher kennengelernt.
Sie streckte die Hand aus. „Es ist mir eine Freude, Sie endlich persönlich kennenzulernen, Mr. Rodriguez.“
„Antonio.“ Er grinste sie an, in der Hoffnung, sie so ebenfalls zum Lächeln zu bringen. Er wurde nicht enttäuscht.
Auf der Firmenwebsite waren die Schwestern nur schwer zu erkennen gewesen – das Foto dort fokussierte sich ganz auf das Schloss. Doch selbst auf diesem Bild war Elise mit ihrem roten Haar hervorgestochen. Und von Angesicht zu Angesicht war sie einfach umwerfend.
Antonio griff nach ihrer Hand und bewunderte den zugleich weichen und festen Händedruck. Eine einflussreiche, selbstsichere Frau mit einem mordsmäßigen Lächeln … Vielleicht würde dieser Ausflug nach Amerika doch angenehmer als gedacht. Schließlich konnte es nicht schaden, ein wenig zu flirten. Auch wenn er sich geschworen hatte, dass dieser Trip rein geschäftlich blieb. Das hier wäre der letzte Deal, den er für das Familienunternehmen abschloss, ehe er sich daraus zurückzog. Das schuldete er seinen Eltern. Und sich selbst schuldete er es, seine eigenen Wünsche beiseitezuschieben und sich ganz auf die Akquise neuer Marken zu konzentrieren. Seine Eltern betrieben Restaurants, die typischerweise auch über einen Pub verfügten, und er wollte als krönenden Abschluss seiner Karriere eine Marke an Land ziehen, die noch nie zuvor in ihrem Eckchen der Welt zu kaufen gewesen war.
Das war der leichte Teil. Er würde die Staaten durchqueren, von Destillerien zu Weingütern reisen und deren Produkte verkosten, neue Leute kennenlernen. Er liebte diese Tätigkeit, wusste nur nicht, wo es