1. KAPITEL
Sie hasste es, wenn er zu spät kam.
Wohl zum zehnten Mal schaute Emily auf die Uhr und seufzte. Warum konnte Danny nie pünktlich sein? Als es klingelte, sprang sie auf und eilte zur Tür. Mit einem letzten Blick in den Spiegel riss sie die Tür auf und lächelte strahlend.
„Sie?!“ Das Lächeln gefror, erschreckt starrte Emily auf Dannys älteren Bruder. „Was wollen Sie denn hier?“
Damien Margate ließ die dunklen Augen erst über das rote Cocktailkleid gleiten, dann zurück zu Emilys Gesicht. „Danny ist verhindert“, sagte er kühl. „Ich komme an seiner Stelle.“
Emily stand der Mund offen, ein panikartiges Flattern breitete sich in ihrem Magen aus. „Ihm ist doch nichts passiert?“
„Nein. Zumindest bis jetzt noch nicht“, kam die rätselhafte Antwort.
Emilys Miene wurde wachsam. „Ich verstehe das nicht. Danny weiß genau, wie wichtig mir der heutige Abend ist. Warum hat er nicht angerufen und mir Bescheid gesagt?“
Damien zuckte die Schultern in dieser widerwärtig distanzierten Art, die Emily vom ersten Augenblick an nicht hatte ausstehen können. „Mir geht es ähnlich wie Ihnen – ich kann die Handlungen meines jüngeren Bruders nicht immer nachvollziehen. Mir ist klar, wie unangenehm es für Sie sein muss, meine Gesellschaft an seiner Stelle zu akzeptieren. Aber es ist Ihre Entscheidung, ob Sie sich von mir begleiten lassen wollen oder nicht.“
Emily wagte nicht, etwas zu erwidern. Ihr Blick wanderte über den großen Mann im schwarzen Smoking. Die Fliege saß perfekt, symmetrisch genau zu den Enden des Kragens. Danny würde sich wahrscheinlich noch vor ihrer Haustür die Krawatte binden. Aber Danny war ja auch ganz anders als Damien.
„Ich möchte Ihnen nicht Ihre kostbare Zeit stehlen“, setzte sie sarkastisch an. „Sicherlich haben Sie wichtigere Dinge zu tun, als mich zu einer Preisverleihung zu begleiten.“
„Im Gegenteil.“ Er sah ihr mit undurchdringlichem Blick in die Augen. „Ich habe nichts Besseres vor … heute Abend.“
Emily spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. Wie konnte er es wagen, herzukommen! Er wusste doch genau, wie sehr sie ihn verabscheute, vor allem, seit er seine Meinung zu ihrer geplanten Biografie über Rose Margate, seine und Dannys Tante, so deutlich kundgetan hatte. Er hatte Emily beschuldigt, sich in die Familie einschmeicheln und Lügen über eine alte Dame verbreiten zu wollen, die sich nicht wehren konnte.
„Was denn, keine heiße Verabredung heute Abend?“ Mit einem ironischen Lächeln fügte Emily hinzu: „Oder hat sie beschlossen, den Abend doch lieber mit ihrem Ehemann zu verbringen?“
Sie bereute ihre Worte, kaum dass sie ihr über die Lippen gekommen waren. Sein Blick wurde hart, seine braunen Augen funkelten wütend.
„Ich nehme an, Danny hat also wieder Unsinn erzählt.“ Obwohl Damiens Ton nichts preisgab, spürte Emily, dass seine übliche eiserne Selbstbeherrschung zu schwanken begann. Dass sie das geschafft hatte, verlieh ihr ein Gefühl von Macht, etwas, das sie in Damien Margates Gegenwart noch nie empfunden hatte.
„Ich wusste nicht, dass es ein Familiengeheimnis ist.“ Sie ritt der Teufel. „Noch eins.“
Mit einem großen Schritt war er bei ihr und packte ihr Handgelenk. Emily musste den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er war gut einen halben Kopf größer als Danny. Irgendwie fühlte sie sich eingeschüchtert, und sie war sicher, dass er das durchaus beabsichtigt hatte.
„Ein Rat, Miss Sherwood.“ Seine Stimme blieb ruhig, doch Emily hörte die Drohung heraus. „Sie haben vielleicht vor, ein Buch über meine Verwandte zu schreiben, aber das gibt Ihnen nicht automatisch das Recht, Spekulationen über mein Privatleben anzustellen, weder öffentlich noch im Privaten. Ist das klar?“
Sie wollte seinem Blick standhalten, doch es war unmöglich. Sie sah auf den Knoten seiner Fliege, dann zurück zu seinem harten Mund. „Ihr Privatleben interessiert mich nicht im Geringsten“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Falls Sie überhaupt eines haben. Würden Sie mich jetzt bitte loslassen!“
Sein Griff wurde nur noch fester, als sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen.
„Meiner Meinung nach haben Sie genau zwei Möglichkeiten. Sie können allein zu dieser Cocktailparty gehen, was die Klatschmäuler darüber spekulieren lassen wird, warum Sie ohne Begleitung auftauchen, oder Sie können mit mir gehen. Also, wofür entscheiden Sie sich?“
„Man wird sich noch mehr die Mäuler zerreißen, wenn ich mit Ihnen erscheine. Schließlich ist Danny mein Freund, nicht Sie.“
„Danny kann aber heute Abend nicht“, erinnerte er sie. „Wenn Sie sich mit einem weiteren Familienmitglied sehen lassen, wird das nicht Ihre Absicht hinsichtlich der geplanten Biografie über meine Tante untermauern?“
Sie wünschte, sie könnte ihm sein Angebo