1. KAPITEL
Es war nicht die Tatsache, dass sie den Verlobungsring zurückgeben musste, die Jasmine Connolly am meisten Sorgen machte. Immerhin hatte sie noch zwei weitere in einer Schmuckschatulle in ihrer Wohnung in Mayfair, direkt über ihrem Brautmodengeschäft.
Nein, ihr ging es um das Gefühl, zurückgewiesen zu werden. Schon wieder! Was war bloß los mit ihr? Warum war sie anscheinend nicht gut genug? Warum verließen sie die wichtigen Menschen in ihrem Leben – angefangen bei ihrer Mutter?
Aber das war noch nicht alles, was ihre Panik schürte. Am kommenden Wochenende fand in den Cotswolds die Winterhochzeitsmesse statt, und sie würde als Single teilnehmen müssen. Wie konnte sie da ohne Verlobten auftreten? Sie hatte sich so auf diese Expo gefreut. Nach viel Hin und Her hatte sie sich sogar einen Platz in der Modenschau gesichert. Es war ihre erste Catwalk-Show, die Eintrittskarte für größere und wichtigere Veranstaltungen.
Jaz liebte es nicht nur, Hochzeitskleider zu entwerfen, sondern sie war nach allem verrückt, was mit Hochzeiten zu tun hatte. Von einem Mann für den Rest des Lebens verehrt und geschätzt zu werden, fand sie unbeschreiblich romantisch.
Liebe sollte für immer sein. Jedes Mal wenn Jaz ein Kleid entwarf, steckte sie all ihre persönlichen Hoffnungen in die Arbeit. Vielleicht würde sie niemals eines ihrer eigenen Kleider tragen? Das wäre eine grausame Ironie des Schicksals!
Sie warf einen Blick auf ihren nackten Ringfinger, während sie das Lenkrad umklammerte. Wieso hatte sie nicht daran gedacht, einen ihrer Ersatzringe aufzustecken? Dann müsste sie nicht jedem erklären, weshalb sie – um Myles zu zitieren – eine Beziehungspause einlegte.
Es war egal, wie er es nannte, für Jaz machte das keinen Unterschied. Sie wurde abserviert. In die Wüste geschickt. Sie war wieder Single. Und das zum dritten Mal.
Eine klare Absage an ihre Beziehungsfähigkeit.
Jaz parkte ihr Auto am gewohnten Platz auf dem Ravensdene-Grundstück, dem Familiensitz des berühmten Theaterschauspielerpaars Ravensdale, wo sie als Gärtner-Tochter und Ersatzschwester ihrer Tochter Miranda und deren älteren Zwillingsbrüdern Julius und Jake aufgewachsen war.
Miranda hatte sich gerade erst verlobt. Verflixt!
Natürlich freute sich Jaz für ihre beste Freundin. Miranda und Leandro Allegretti passten perfekt zusammen. Und niemand hat ein Happy End mehr verdient als diese beiden. Aber warum konnte Jaz nicht auch eines haben?
Frustriert legte sie den Kopf ans Lenkrad und schloss die Augen. Es war zum Verrücktwerden!
Ein Auto kam die lange Einfahrt hinaufgeschossen, und Jaz richtete sich gerade noch rechtzeitig auf, um zu sehen, wie der italienische Sportwagen neben ihr zum Stehen kam und dabei einen Schwall Kieselsteine hochwirbelte.
Genervt verdrehte sie die Augen.
Jacques Ravensdale, auch bekannt als Jake, stieg aus und richtete sich zu voller Größe auf. Er bewegte sich auf eine ganz besondere Art und Weise, irgendwie geschmeidig, was einen hohen Wiedererkennungswert besaß. Jaz wusste, dass er es war und nicht sein eineiiger Zwillingsbruder Julius, denn sie hatte die beiden schon immer mühelos auseinandergehalten. Nicht jeder konnte das, sie schon.
Denn sie spürte den Unterschied mit jeder Faser ihres Körpers. Sobald Jake in der Nähe war, wurde sie kribbelig und nervös. Es war, als seien feine Antennen direkt darauf ausgerichtet, Signale ausschließlich von ihm aufzunehmen.
Sein schwarzes Haar war vom Wind zerzaust, was sehr sexy aussah. Ein weiterer Grund, ihn zu hassen, denn sie wusste, dass er mit seinem offenen Cabrio gern angab, um Frauen aufzureißen. Er war lässig gekleidet, weil alles an Jake lässig war, einschließlich seiner Beziehungen – wenn man lose Bekanntschaften und One-Night-Stands überhaupt als Beziehung bezeichnen konnte.
Seine dunkelblauen Augen waren hinter einer Designer-Sonnenbrille verborgen, die Stirn war tief gerunzelt. Zumindest mal eine Abwechslung von seinem üblichen spöttischen Grinsen.
„Was zum Teufel machst du hier?“, fragte er ohne Umschweife.
„Freut mich auch, dich zu sehen“, antwortete Jaz kühl. „Wie geht es dir so? Hast du inzwischen ein bisschen an deiner Persönlichkeit gearbeitet?“
Diesen Seitenhieb beachtete er gar nicht. „Eigentlich solltest du in London sein“, brummte er und nahm die Sonnenbrille ab.
„Ach, ja?“
„Ich habe extra Miranda angerufen.“ Mit einem Fußtritt schloss er die Fahrertür. „Sie meinte, du bist mit diesem Tim auf einer Familienfeier bei seinen Eltern.“
„Myles“, korrigierte sie automatisch. „Tim … war der andere.“
Um seine Mundwinkel zuckte es. „Nummer eins oder Nummer zwei?“
Es ärgerte sie, dass er ihre ehemaligen Verlobten verspottete. Auch wenn sie selbst im Nachhinein nicht mehr viel von diesen Typen hielt … „Nummer zwei. Der Erste hieß Lincoln.“
Geschäftig öffnete Jake den Kofferraum seines Wagens. „Und? Wo ist denn dein Loverboy Myles?“
Eigentlich sollte es sie nicht interessieren, wie aufreizend eng seine Jeans am Po und an den Beinen spannte, während Jake sich vorbeugte. Andererseits war sie auch nur eine ganz normale Frau, und dieser Kerl war gebaut wie ein Olympiaathlet.