: Norbert Maria Kröll
: Arcus
: Verlag Kremayr& Scheriau
: 9783218014458
: 1
: CHF 15.20
:
: Erzählende Literatur
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Als seine Eltern tragisch versterben, erbt Marcus Himmeltroff-Gütersloh unverhofft Milliarden. Obwohl er sich als Avantgarde-Künstler Arcus von seinen konservativen Eltern losgesagt hat, muss er nun Entscheidungen treffen: Zuerst spielerisch, dann immer radikaler lotet Arcus neue Freiheiten aus und reißt damit nicht nur seine Freunde, sondern die ganze Stadt in einen aberwitzigen Wirbel aus Gier, Schuld und dem letzten Rest Würde. Norbert Maria Kröll zeigt in dicht gewebter, kompromissloser Sprache die wachsende gesellschaftliche Spaltung auf und weitet die Debatte auf die Verantwortung der Kunst aus. 'Das Geld ist futsch, es ist weg, und es kommt nie mehr wieder zum Vorschein, wenn es denn überhaupt jemals zu sehen war. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Ich erzähle Ihnen nichts Neues? Nun, Arcus wird Ihnen das Neue nicht erzählen, er wird es Ihnen vielmehr zeigen.'

Norbert Maria Kröll, geboren 1981 in Villach, lebt und arbeitet in Mödling bei Wien. Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2017 erschien sein Debütroman 'Sanfter Asphalt', 2018 erhielt er den Förderpreis des Landes Kärnten und das Jubiläumsfonds-Stipendium der Literar-Mechana. Sein zweiter Roman 'Wer wir wären' wurde mit der Buchprämie der Stadt Wien ausgezeichnet. Für die Arbeit am Roman 'Die Kuratorin' wurde ihm der Theodor-Körner-Preis zuerkannt. Für einen Auszug aus 'Arcus' erhielt er das Jahresstipendium Literatur des Landes Kärnten sowie eine Förderung der Stiftung Literatur München.

3


Arcus beobachtete, wie die Sonne ihre Strahlen durch die vom Wind sanft bewegten Blätter der Linde stieß, sodass er seine Augen zusammenkneifen musste, um nicht geblendet zu werden.

»Der Fernseher bringt inHDR viertausend Nits auf den Teller«, hatte Johannes zu ihm gesagt, nachdem er, mit dem exakt gleichen Stolz wie sein Vater, wenn er ein frisch ausgestopftes Tier ins Wohnzimmer gestellt hatte, ihn das erste Mal in Betrieb genommen hatte. »Achtundneunzig Zoll, 8K-Auflösung, eine künstliche Intelligenz rechnet die Bilder hoch. Der spielt alle Stücke.«

Die Arbeiter hatten den Raum gerade eben verlassen mit ihren Leitern und Bohrmaschinen und all dem anderen Werkzeug, für das Johannes mit Sicherheit keine genaue Bezeichnung gefunden hätte.

»Und viertausend Nits sind gut?«, hatte Arcus seinen Bruder gefragt, der ihn mit einem verächtlichen Blick bedachte.

»Wenn ich dir erzähle, dass mein Porsche Cayenne TurboGT sechshundertvierzigPS hat, fragst du mich dann auch, ob sechshundertvierzigPS gut sind?«

»Willst du die Antwort darauf wissen?«, hatte Arcus gemeint und versucht, die Beleidigung wie an einem aufgespannten Regenschirm abperlen zu lassen. Johannes, hörte er nicht auf, sich einzureden, war eben pathologisch gehässig und konnte nichts für seine Art.

»Warum interessierst du dich eigentlich nicht für normale Dinge?«, hatte Johannes Arcus gefragt.

»Du meinst, damit wir uns unterhalten können?«, fragte Arcus.

»Vielleicht«, meinte Johannes. Kurz sah er enttäuscht aus.

»Ich weiß es nicht«, gab Arcus zu verstehen. »Ich weiß ja nicht einmal, was du unter normal verstehst. Für mich ist es normal, nicht über Autos zu reden, nicht über die neuesten Spielzeuge der Tech-Companies, nicht über …«

»Ich verstehe schon«, hatte Johannes ihn unterbrochen. »Nicht über Partys, nicht über Drogen, nicht über Girls, nicht über Geld. Du sprichst über nichts, das Spaß macht.«

Arcus hatte schmunzeln müssen und die Schultern gehoben.

»Langweiler«, hatte Johannes hinzugefügt. Er hatte seine Fassung mittlerweile wiedererlangt, seine Coolness, seine Maske, und sein Blick hatte sich verhärtet.

»In meinem Kopf«, hatte Arcus darauf entgegnet, »ist es nicht langweilig.«

Arcus senkte den Kopf, sein Blick fuhr über den dicken Baumstamm der Linde. Dann weiter nach unten, zu den Ansätzen der