Willkommen im Hospiz
Ob die Frauen und Männer, Töchter, Söhne, Mütter, Schwiegermütter, Väter und Schwiegerväter freundlich, ehrlich, verantwortungsvoll oder „schwierig“ waren, spielt keine Rolle für die Menschen, die im Hospiz haupt- oder ehrenamtlich arbeiten. Das „Jetzt“ ist hier der Taktgeber. In der Nähe des Todes ist vieles anders, aber oft zum Glück ganz alltäglich.
Jedes Mal, wenn ich das Hospiz betrete, ist es wie der Beginn einer Reise. Alles ist möglich. Sonne, Regen, Blitz und Donner – Sandstrand, Bergpanorama oder Großstadtgetümmel. Hier findet unglaublich viel Leben statt – auch wenn das nicht zwingend der erste Gedanke bei dem Wort „Hospiz“ ist … und natürlich wird hier auch gestorben.
„Der Gute Hirte“ wurde im Sommer 2021 mit neun Gästezimmern in Betrieb genommen – mitten in der Pandemie. Die Zimmer sind alle in unterschiedlichen Farben gestrichen und haben passende lange Gardinen vor den doppelten bodentiefen Fenstern und Türen, die auf eine separate Terrasse führen. Die Gäst:innen dürfen eigene Bilder, Bettwäsche, Möbel und Deko mitbringen. Manche Zimmer sind kaum wiederzuerkennen – manchmal ist es etwas voll, denn einige haben zusätzlich noch Hilfsmittel wie ihren Rollstuhl, Infusionsständer, Sauerstoffgeräte, Rollatoren oder Ähnliches dabei, aber das ist egal, denn die Gäst:innen haben das Recht, ihr letztes Umfeld so zu gestalten, dass sie sich wohlfühlen.
„Ein Reisender kommt in ein Kloster. Dort hat er ein Zimmer gebucht. Es ist leer, keine Möbel sind darin. Der Reisende fragt, warum das so ist. Der Mönch fragt ihn im Gegenzug, warum er keine Möbel mitgebracht hat. Darauf sagt der Mann, dass er ja nur auf der Durchreise sei. Der Mönch lächelt und erwidert: „So wie wir …“
Das Credo des Hospizes ist es: „Niemand muss alleine sterben.“ Das wird umgesetzt, wenn die Gäst:innen es wünschen. Sehr oft sind Angehörige oder andere Zugehörige da. Sie dürfen über Nacht bleiben. Dann wird auf Wunsch ein weiteres Bett ins Zimmer gestellt oder es gibt ein separates Gästezimmer, das genutzt werden kann. Wenn das nicht gewünscht oder möglich ist, sind die Pflegefachkräfte da oder Ehrenamtliche, die auch in der Nacht dafür sorgen, dass Sterbende sich nicht alleingelassen fühlen. Wenn jemand verstorben ist, wird ein türkisfarbenes Herz an die Zimmertür gehängt und eine Erinnerungskerze im Eingangsbereich entzündet. Diese brennt so lange, bis der Verstorbene das Hospiz durch die Eingangstür für immer verlassen hat. Dort liegt auch ein Buch, in dem an die Verstorbenen erinnert wird. Angehörige und Freunde können dort einen letzten Gruß hinterlassen. Dieses Buch wird genutzt, um bei den Dienstbesprechungen für uns Ehrenamtliche (im Vier-Wochen-Rhythmus) an die Verstorbenen zu erinnern, eine Kerze zu entzünden und zu erzählen, was für Begegnungen man mit ihnen hatte. Es ist ein Ritual, das allen hilft, Abschied zu nehmen und weiterzumachen. Einmal im Jahr gibt es im „Guten Hirten“ der einen Erinnerungsgottesdienst gleichnamigen Kirche, zu dem alle Angehörigen der Verstorbenen eingeladen werden. Nicht alle Eingeladenen kommen. Es werden alle Namen von den in diesem Jahr Verstorbenen mit Todesdatum verlesen und ein individuell bemalter Stein an den Kerzen niedergelegt. Die Zugehörigen dürfe