: Rüdiger Hossiep, Wolfram Berndt, Jennifer Esther Zens
: Mitarbeitergespräche Motivierend, wirksam, nachhaltig
: Hogrefe Verlag GmbH& Co. KG
: 9783844432381
: 3
: CHF 21.20
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: Psychologie
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Das Mitarbeitergespräch gehört zu den wichtigsten Formen der Führung und wird in einer digitalisierten, agileren Arbeitswelt mit reduzierten persönlichen Kontakten weiterhin an Bedeutung gewinnen. Motivierende, wirksame und nachhaltige Mitarbeitergespräche dauern nicht unbedingt länger als demotivierende Gespräche, die bestehende Probleme lediglich zementieren. Ihrer lösungsorientierten Gestaltung kommt damit eine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Band liefert Führungskräften und Mitarbeitenden wertvolle Informationen zur Reflexion und Verbesserung ihres Gesprächsverhaltens. Dabei wird in der 3. Auflage u. a. zusätzlich auf Mitarbeitergespräche im Kontext von Remote Leadership, New Work oder variabler Vergütung eingegangen. Für Organisationen aller Art bietet das Buch eine tragfähige Basis, das Führungsinstrument 'Mitarbeitergespräch' zu implementieren, zu relaunchen und zu optimieren. Es vermittelt gleichermaßen anschaulich wie fundiert Essentials zum Thema Mitarbeitergespräche ergänzt durch eine Fülle praktisch anwendbarer Hinweise, Checklisten und konkreter Herangehensweisen, die von Gesprächsabläufen und Strukturierungen bis hin zu beispielhaften Formulierungen reichen. Auch in der 3. Auflage liefert dieses Buch keine Rezepte, sondern stellt durchdachte, handhabbare, praxisbewährte Empfehlungen mit wissenschaftlicher Fundierung vor und ist ein Plädoyer für das maßgeschneiderte, adaptabile Mitarbeitergespräch.

|17|2  Modelle


Mitarbeitergespräche werden häufig auf Basis organisationsintern erstellter Konzepte ein- und durchgeführt, die meist ohne erkennbaren Bezug zu empirischen Erkenntnissen entwickelt wurden. Während in der Tat bislang weder eine verbindliche Theorie noch ein allgemein akzeptiertes Modell zum Mitarbeitergespräch existiert, gibt es doch empirisch belegbare Zusammenhänge in benachbarten Forschungsgebieten, die bei der Konzeption beachtet werden sollten. Hierbei ist vor allem das ThemaKommunikation zu nennen, das als grundlegende Basis einen deutlichen Teil des Mitarbeitergesprächs bestimmt. Im Folgenden werden einige für das Mitarbeitergespräch relevante theoretische Erkenntnisse kurz vorgestellt.

2.1  Grundlagen der Kommunikation


Kommunikation ist nicht nur für Mitarbeitergespräche im Speziellen, sondern für sämtliche Gespräche und Kontakte im allgemeinen Berufsalltag unerlässlich und erfolgsentscheidend für die Umsetzung organisationeller Anliegen. Grundlage der meisten Kommunikationsmodelle ist die Annahme, dass ein Kommunikationsprozess stets einen Sender, einen Empfänger und eine Nachricht erfordert (vgl.Abbildung 4). Der Sender (Person A) sendet eine Nachricht an den Empfänger (Person B). Allerdings gilt es einschränkend anzumerken, dass die gesendete und die empfangene Nachricht nicht in jedem Fall übereinstimmen. Je nach „gemeinsamem Zeichenvorrat“ besteht ein mehr oder weniger großes Verständnis, es ist somit zunächst unklar, inwieweit eine Botschaft ankommt. Da es sich bei einer Kommunikation um einen dynamischen Prozess handelt, wird der Empfänger (Person B) einer Nachricht in den meisten Fällen|18|anschließend zum Sender einer nächsten Nachricht an Person A, womit es sich letztlich auch um einen wechselseitigen Prozess handelt.

2.1.1  Kommunikationsmodelle

Es existieren verschiedene, zum Teil sich inhaltlich überlappende Kommunikationsmodelle, mit denen Gesprächssituationen analysiert werden können. Nachfolgend sollen das Zwei-Ebenen-Modell, das TALK-Modell, das Vier-Schichten-Modell und das Johari-Modell vorgestellt werden.

Gemäß dem populärenZwei-Ebenen-Modell der Kommunikation von Schulz von Thun (z. B.Schulz von Thun, Ruppel& Stratmann, 2003), welches im Wesentlichen auf Watzlawick fußt (vgl.Watzlawick et al., 2017, Erstpublikation 1967), können die Sach- und die Beziehungsebene einer Nachricht unterschieden werden, „Hirn und Herz“ eines Gesprächs. Mit derSachebene, d. h. der rationalen Ebene, ist der reine Informationsgehalt einer Nachricht gemeint, während die zugleich wirkendeBeziehungsebene verdeutlicht, wie man zu seinem Gesprächspartner steht bzw. was man von ihm hält. Vielfach wird sich allerdings in der betrieblichen Praxis herausstellen, dass die emotionale Ebene auch für vermeintliche Sachentscheidungen ausschlaggebend ist.Sarges (1995) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die sachlich/fachlich verengte Kommunikation („to get the facts“) einer der größten Effizienz-Blockierer ist. In einer Erweiterung des Modells wurden die DimensionenSelbstoffenbarung undAppell entsprechend als dritte und vierte Ebene ergänzt. Die Selbstoffenbarung gibt hierbei Informationen über den Redner preis, während der Appell implizite Handlungsaufforderungen für den Empfänger einer Nachricht beschreibt.

Eng verwandte Dimensionen finden sich imTALK-Modell vonNeuberger (1996), das häufig im Management-Trainingsbereich eingesetzt wird. Dort werden die vier Dimensionen als Tatsachendarstellung, Ausdruck, Lenkung und Kontakt bezeichnet.Abbildung 5 gibt einen Überblick über die vier Dimensionen und die zentralen Fragen, die sich der Empfänger einer Botschaft bei jeder Nachricht unbewusst stellt.

In der Regel finden sich sämtliche Ebenen in jedem Gespräch wieder, wenn auch nicht in gleich starker Ausprägung. Durch die vielseitigen Deutungsmöglichkeiten wird im Prinzip jede Nachricht zu einer Konstruktion aus Wahrnehmung, Einstellung und Erfahrung des Empfängers. Gemäß dem um eine Interaktionskomponente erweiterten Verständnis können die Beteiligten einer Interaktion jeweils wählen, auf welcher Ebene sie eine Nachricht versenden, aber gleichzeitig auch, auf welcher Ebene sie eine Nachricht empfangen.

Um die Relevanz für den Berufsalltag und zugleich für das Mitarbeitergespräch zu verdeutlichen, wird im Folgenden anhand zweier Aussprüche, dem einer Führungskraft und dem eines Mitarbeiters, die Vielschichtigkeit und mögliche Vieldeutigkeit von Aussagen veranschaulicht (sieheAbbildungen 6 und7). Hierbei wird anhand von zwei Äußerungen jeweils beispielhaft eine pointierte Deutung (aus Sicht einer Führungskraft bzw. eines nachgeordneten Mitarbeiters) im Sinne der vier Dimensionen einer Nachricht vorgenommen.

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Welche Seite einer Nachricht ein Empfänger besonders intensiv wahrnimmt, wird durch seine Erwartungen und (Vor-)Urteile gegenüber dem Gesprächspartner geprägt (vgl.Nerdinger, 1997). Zudem kommt für die Deutung einer Nachricht aber auch den nonverbalen Merkmalen wie dem Tonfall und der Mimik ein erhebliches Gewicht zu (sieheAbschnitt 2.1.5).

|20|Zusammenfassend lässt sich feststellen: Wenn dieTatsachen durch denAusdruck eine solcheLenkung erfahren, dass keinKontakt hergestellt wird, ist es kein Gespräch.

Neben den bereits genannten Dimensionen ist eine fünfte Dimension, die sog.Metakommunikation als reflektorische Komponente, für das Mitarbeitergespräch von großer Bedeutung. Mit Metakommunikation ist das Reden über ein Gespräch bzw. einen Gesprächsverlauf gemeint, das zur Lösung von Problemen oder beim Geben von Feedback eingesetzt werden kann.

Kießling-Sonntag (2013) stellt mit demVier-Schichten-Modell der Kommunikation ein Gerüst mit Grundfragen und Themen für den Dialog vor.Abbildung 8 zeigt das Modell mit Bezug zu fünf Phasen eines Gesprächs (1. Kontakt, 2. Themen, Ziele, 3. Themenbearbeitung, 4. Ergebnisse und 5. Abschluss). Dementsprechend laufen in jeder Phase eines Gesprächs verschiedene Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen parallel ab.

Auf der rationalen Ebene bzw. derSachebene sollten sich beide Gesprächspartner vor einem Dialog die Frage stellen, worüber geredet wird bzw. worum es inhaltlich gehen soll. Das Gespräch dient als Hilfsmittel für die Verständigung zwischen zwei Personen zur Erreichung eines Ziels. Wichtig für ein gelungenes Gespräch sind hier Richtigkeit, Verständlichkeit und Wahrheit. Die Ebene der Rahmenbedingungen(Procedere) umfasst die Spielregeln in der Organisation oder der Abteilung und die meist vorgege|21|bene Gesprächsstruktur. DasWie eines Gesprächs wird betrachtet, und es sollten Klarheit, Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des Vorgehens angestrebt werden. Es schließt sich die Ebene derBeziehungen und Gefühle an. Hier wird das Verhältnis zum Gegenüber reflektiert, das durch die Gegensätze Nähe – Distanz, Sympathie – Antipathie zwischen Gesprächspartnern, das Rollenverständnis sowie die Beachtung der Gefühle des Gesprächspartners geprägt wird. Allem Handeln einer Person liegen letztlich ihreBedürfnisse und Antriebe zugrunde. Diese bilden die vierte Schicht der Kommunikation. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass ihre Inhalte wie Werte, Normen und persönliche Ziele häufig nicht nur dem Gesprächspartner, sondern auch dem Bewusstsein der Person selbst verborgen sind, gleichzeitig aber den Verlauf eines Gesprächs maßgeblich beeinflussen. Ideale dieser Kommunikationsebene sind Toleranz, Offenheit und Respekt vor der Persönlichkeitssphäre des Gesprächspartners.

Neben den klassischen Kommunikationsmodellen ist für das Mitarbeitergespräch auch die Differenzierung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung von zentraler Bedeutung. Dieses Spannungsfeld wird in demJohari-Fenster von Luft und Ingham...