: Wayne Johnson
: Das rote Kanu Kriminalroman
: Polar Verlag
: 9783910918030
: 1
: CHF 19.90
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 400
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Buck besuchte vor vierzig Jahre ein katholisches Internat außerhalb des Reservats. Dort wurde er Michael Fineday genannt. Sein Ojibwe-Name jedoch lautet Miskwa'doden (Roter Hirsch). Er verdient seinen Lebensunterhalt als Schreiner und Bootsbauer in der Nähe der Shakopee Mdewakanton Sioux Community in Minnesota und hat gerade die Scheidungspapiere von seiner Frau Naomi erhalten, die genug von seinem Retterkomplex und den Gefahren hat, die er heraufbeschwört. Er verbringt seine Tage allein, bis ein fünfzehnjähriges Mädchen auftaucht, das von einem Kanu angezogen wird, das Buck baut. Lucy's Ojibwe-Name lautet Gage' bineh (Ewiger Vogel). Sie lebt allein in einem Wohnwagen mit ihrem Vater, einem örtlichen Polizisten, der aufgrund des Irakkriegs mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen hat. Seit dem Tod ihrer Mutter wird sie von den Polizeikollegen ihres Vaters systematisch belästigt und vergewaltigt. Ihr wurde gedroht, dass ihr Vater die Konsequenzen tragen müsse, sollte sie jemals etwas sagen. Buck spürt, dass Lucy in Schwierigkeiten steckt, und zögert nicht, ihr anzubieten, zusammen mit ihm ein Kanu zu bauen. Als Lucys beste Freundin ermordet wird, fürchtet sie um ihr eigenes Leben und wendet sich hilfesuchend an Buck.

Zu Johnsons öffentlichen Auszeichnungen gehören neben anderen: die Aufnahme in die Bestsellerliste der London Times für The Snake Game, drei Pulitzer-Nominierungen (für Deluge, Don't Think Twice und The Devil You Know). Er war Stipendiat des Chesterfield Writers' Film Project in Hollywood und wurde vom Sundance Film Festival für seine Drehbücher ausgezeichnet. Er ist langjähriges Mitglied des Lehrkörpers des Iowa Summer Writing Festival und unterrichtet Drehbuchschreiben am Westminster College in Salt Lake City.

HERBST


1
Buck


Das Mädchen kam am Nachmittag desselben Tages zu ihm, an dem man ihm die Scheidungspapiere überbrachte – Erhalt durch Unterschrift quittiert – und ein Wunder ihm das Leben rettete.

Den Vormittag über arbeitete er in seiner Garagenwerkstatt, deren Tor, breit wie zwei Autos, offen stand, für einen Softwaredesigner aus Seattle an der Nachbildung eines Ruderboots aus den 1880ern, als er Schritte auf der Einfahrt hörte.

»Michael Fineday?«, dröhnte eine Stimme, die etwas von einem Herold an sich hatte.

Er drehte sich um und stand einem harmlos aussehenden Mann mittleren Alters gegenüber, ganz in Schwarz gekleidet, als würde er nicht auffallen wollen, das schmutzigblonde, fettige Haar zum Seitenscheitel gekämmt. Es dauerte einen Moment, bis der Name Sinn ergab – es war nicht seiner, aber wenn Ärger drohte, und das war in den vergangenen Jahren oft vorgekommen, dann drohte er immer Michael. Dem Erzengel, der, wie Schwester Seraphim in der katholischen Internatsschule außerhalb des Reservats ihm beigebracht hatte, sein Namensvetter war.

Nach all den Jahren, vier Jahrzehnten, schob sich Michael immer noch vor ihn, und ihm blieb dann nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

»Unterschrift bitte?«, sagte Ganz-in-Schwarz und hielt ihm ein Clipboard und einen Stift hin. »Hier unten.«

Er nahm die Thermoskanne vom Zeichentisch, schenkte ein und griff nach dem Clipboard.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er blinzelnd, versuchte zu erkennen, was das jetzt wieder war, »werfe ich da erst mal einen Blick drauf. Bevor ich meinen Erstgeborenen verkaufe oder – « Ganz oben stand: DRITTES BEZIRKSGERICHT, darunter:Naomi Louise Weston, Antragstellerin.

Mo, dachte er,verdammt, und in seinem Kopf ging eine Bombe hoch. Um Zeit zu gewinnen, schaute er auf, sagte scherzend: »So, wie Sie gekleidet sind, wie soll ich da wissen, ob Sie nicht irgendein Whiskeypriester sind, der mich auf Abwege führen will?«

Ganz-in-Schwarz hielt einen Ausweis an einem gelben Band hoch,Gerichtsbeamter. So ein Typ war das, kein Wort zu viel.

»Wenn Sie dann bitte unterschreiben würden«, sagte er.

Er stützte das Clipboard auf seiner Hüfte ab wie ein Flügel, aber nichts rettete den Moment, und in ihm die schreckliche Starre, an der er litt, seit er bei Naomi ausgezogen war. »Wenn ich unterschreibe, heißt das nur, dass ich es bekommen habe, nicht mehr, stimmt’s?«

Ganz-in-Schwarz nickte.

»Sie kennen die alte Geschichte über den Überbringer schlechter Nachrichten, oder?«

Ganz-in-Schwarz kannte sie zur Genüge und gestattete sich den Schatten eines Lächelns, als wollte er einen Schlag abwehren.

Hinter ihm standen windschiefe Grabsteine auf Rasenflächen, hingen Geister in Bäumen, lauerten Papphexen und Vampire auf Türschwellen. Halloween stand bevor. Aber mit dem Clip