3. KAPITEL
Die Freunde
Bleib mal locker. Das kriegen wir in den Griff!“ Als wollte er seine Aussage bekräftigen, nahm JoJo sehr zackig seine Brille ab und attackierte die Gläser mit dem Hemdzipfel.
Von Simon kam ein leichtes Nicken. Er war – ganz im Gegensatz zu JoJo – kein Freund der großen Worte. Er sagte, was es zu sagen gab, aber auch kein Wort mehr.
Der ewige Regen hatte eine Pause eingelegt. Motte und seine Freunde hockten auf dem Geländer des Parkplatzes am Supermarkt, wo ihr gemeinsamer Nachhauseweg von der Schule endete. Hier, neben dem Häuschen mit den Einkaufswagen, saßen sie immer noch ein bisschen zusammen, bevor jeder die letzten Meter zu sich nach Hause ging. Es war nicht gerade das gemütlichste Plätzchen, das man sich als Treffpunkt denken konnte. Einkaufswagen ratterten, kleine Kinder quengelten, Autos parkten ein und aus, und vom Getränkemarkt kam das Geschepper der leeren Kisten. Aber dafür beachtete sie hier keiner groß.
Motte hatte seinen Freunden alles erzählt – die Sache mit dem Anruf, Vaters miese Laune, die schlechte Stimmung zu Hause. Er hatte sich alles von der Seele geredet und war nun so erleichtert, dass er den beiden am liebsten um den Hals gefallen wäre.
JoJo und Simon waren seine besten, genauer gesagt: seine einzigen Freunde. Manchmal wunderte er sich selber, wie er mit zwei so unterschiedlichen Typen befreundet sein konnte. Schon auf den ersten Blick war ein größerer Gegensatz kaum vorstellbar: JoJo war deutlich kleiner als Simon, dafür aber auch deutlich dicker. Eigentlich hieß er Jochen. Böse Zungen behaupteten, dass sein Spitzname etwas mit seiner Körperform zu tun hätte: klein und rund – wie das gleichnamige Spielzeug eben. Die Ursachen für seine Korpulenz (wie er selbst seine Leibesfülle zu bezeichnen pflegte) waren alles andere als rätselhaft. Sein Speisezettel bestand ausschließlich aus Fast Food. Alles andere betrachtete er mit Misstrauen („da könnte ja sonst was drin sein“). Wenn er bei Motte zu Besuch war und dessen Mutter ihre unvermeidliche Biokost auftischte, machte er jedes Mal ein Gesicht, als ob man ihn vergiften wollte. Sein Lieblingsgetränk war der berühmte „Matsch“. Dabei handelte es sich um eine süße Eispampe, die man mit Strohhalmen aus Bechern trank. Es gab sie in knallrot, lila, giftgrün und grellgelb. Das Ganze kam aus einer Maschine in JoJos Zimmer, die seine Mutter ihm gekauft hatte. Er hatte das Zeug einmal im Urlaub auf Mallorca getrunken und danach erklärt, ohne Matsch könne er keine Hausaufgaben mehr machen.
In Sachen Essen und Trinken war JoJo kompletter Selbstversorger. Seine Mutter war nachmittags bei der Arbeit und kam erst spät abends nach Hause, und auch morgens bekam JoJo sie nur selten zu Gesicht, weil sie noch schlief. Sein Vater war sowieso nie da. Er sei zur See, erzählte JoJo herum, aber Motte wusste von seinen Eltern, dass JoJos Vater vor fünf Jahren mit einer anderen Frau nach Hamburg gezogen und seither nicht mehr aufgetaucht war.
Klarer Fall von Erpressung!“, verkündete JoJo jetzt so laut, dass eine vornehme alte Dame, die gerade mit ihrem Einkaufswagen vorbeikam, ihn ganz erschrocken anblickte und dann hastig weitertrippelte.
Etwas leiser fuhr er fort: „Dieser Peter soll sich mal nicht zu früh freuen. Jetzt kriegt er es mit Profis zu tun!“ Er strich sich mit der Hand zärtlich über die gebleichten Spitzen seiner Igelfrisur. Mit seiner Haartracht war JoJo immer „dem Trend voraus“, wie er sagte. Dasselbe galt selbstverständlich auch für seine Klamotten. Da ging der künftige Trend offenbar zu überweiten Jogginghosen, himmelblauen Sneakers und T-Shirts oder Sweatshirts mit irgendwelchen abgefahrenen Sprüchen drauf. Gerade warIch könnte es dir erklären, aber will dich lieber nicht überfordern dran. JoJo war das geborene Großmaul. Was aber nichts daran änderte, dass er ein richtig guter Kumpel war.
„Ja, JoJo hat recht“, meldete sich Simon mit seiner sanften Stimme zu Wort. Er biss in einen Apfel und kaute erst einmal in aller Seelenruhe, den Blick irgendwo in die Ferne gerichtet.
Seinem braun gebrannten Gesicht war anzusehen, dass er vi