Einfluss – Kunst –
Diplomatie
Simon Mraz
Vorbemerkung
Einfluss nehmen zu wollen war, das kann ich ganz bestimmt von mir sagen, keine Triebfeder, mich beruflich auf das weite Feld der Kulturdiplomatie zu begeben. Besser so, würde ich sagen, denn „in der Auslandskultur“, wie die österreichische Kulturdiplomatie im Berufsjargon genannt wird, soll es in erster Linie darum gehen, österreichischen Künstler:innen außerhalb der Landesgrenzen so pragmatisch und flexibel wie möglich zur Seite zu stehen. In meiner unerwartet nachhaltigen Karriere in der Kultursektion des österreichischen Außenministeriums habe ich es stets als eine erfrischende Besonderheit der österreichischen Struktur7 empfunden, dass sie mit weniger großangelegten Gesamtstrategien und Richtlinien auskommt, als dies bei vielen anderen europäischen Partnerländern der Fall ist, und die Kulturforen8 sehr unabhängig und verhältnismäßig unbürokratisch über ihre Budgets und Programme verfügen können.
Meine Geschichte als Kulturdiplomat begann jedenfalls sehr unverhofft und es waren zu einem guten Teil einfach jugendlicher Abenteuersinn und Neugierde, die mich antrieben, als ich mich nach einer beginnenden glücklichen Laufbahn im Dorotheum9 dafür entschied, geplante zehn Monate lang in der österreichischen Botschaft in Moskau am dortigen Kulturforum als Kulturattaché einzuspringen. Wie es dazu kam? Es war der ursprünglich für die Position gedachten Person das Visum von Seiten der russischen Behörden verwehrt worden, worauf bis zur nächsten Ausschreibungsrunde des Ministeriums eine Lücke entstand. So eröffnete sich ganz unvorhergesehen eine Chance für mich Außenstehenden.
Dieses für meinen weiteren beruflichen Werdegang entscheidende Momentum ergab sich zu Jahresbeginn 2009. Nie hätte ich mir damals träumen lassen, dass ich 15 Jahre später in einer kleinen Wohnung in der russischen Wolgastadt Jaroslawl einen Artikel darüber verfassen würde, was für mich Einfluss in der Kulturdiplomatie bedeutet.
Diese mir sehr liebe Wohnung hatte ich mir 2021, nach zwölfjähriger Tätigkeit am Kulturforum der Botschaft in meinem letzten Jahr als Kulturattaché, unmittelbar vor meiner Rückkehr nach Wien, als Rückzugsort und Standbein in Russland angeschafft.
Sich 2024 als österreichischer Kulturmanager und Ausstellungsmacher mit Russland auseinanderzusetzen, ist schon für sich genommen eine zu denken gebende Situation und noch vielmehr angesichts der Aufgabe, einen Artikel zum gegenständlichen Thema zu verfassen.
In den letzten Tagen habe ich versucht, mir einen Überblick über das Leben in der kleinen Stadt zu verschaffen, habe zahlreiche Spaziergänge absolviert, mich gefragt, was in den Köpfen der Menschen wohl vorgehen mag angesichts des Umstands, dass das Land seine todbringende, so schreckliche kriegerische Invasion in der Ukraine betreibt. Ganz augenfällig ist eine Normalität des Alltags, wie man sie sich zu Hause im Westen nicht recht vorstellt. Und dann holt sie einen doch ein, die Ausnahmesituation. Auf einer Ausfahrt in einen Ort außerhalb der Stadt zieht der Friedhof vorbei, mit zahlreichen neuen Gräbern, geschmückt mit militärischen Fahnen; meine Partnerin, die mir plötzlich sagt, ein ehemaliger Kollege und Mitarbeiter der Tretyakov-Galerie in Moskau sei aus dem Krieg nicht zurückgekehrt; ein, auch wenn es im Stadtbild der im Übrigen relativ liberalen Stadt die Ausnahme ist, riesiges „Z“ an der Fassade eines Büros des russischen Kriegsministeriums im Stadtzentrum; außerdem der Umstand, das