Die Schreckensherberge
von Dan Shocker
(Teil 2)
„Es ist Unsinn, was Sie sagen, Miss Roumer.“ Das war die Stimme von Dolores. Und mit dieser Bemerkung fand Larry Brent einiges bestätigt, was er vermutet hatte. Er beugte sich vor und spähte durch das Schlüsselloch. Janet Roumer stand neben der aufgeklappten Bar. Ihr langes, blondes Haar lag auf den bloßen Schultern. Sie trug ein hellblaues, seidig schimmerndes Kleid, das ihre wohlgerundeten Formen gut zur Geltung brachte. Das Dekolleté war so raffiniert geschnitten, dass der Ansatz ihrer kleinen festen Brüste kaum zuübersehen war.
Dolores ging im Zimmer auf und ab. Sie hielt ein halb gefülltes Cocktailglas in den langen, schlanken Händen. Janet Roumer hatte sie bei ihren Vorbereitungen gestört. Dolores war noch nicht fertig frisiert, dennoch sah sie keineswegs ungepflegt aus. Die mittellangen Haare waren lediglich etwas zerzaust.
„Ich rede keinen Unsinn. Ich weiß, was ich sage.“ Janet Roumer blickte die Tänzerin mit fiebernden Augen an.„Es ist kein Zufall, dass ich heute Abend schon wieder hier bin. Gestern konnte man mich noch abwimmeln, heute aber habe ich Sieüberrascht. Und ich weiß, dass Sie etwasüber meinen Vater wissen!“
Dolores schüttelte den Kopf.„Nichts weiß ichüber Ihren Vater!“
„Er war hier in der Bar, daran gibt es keinen Zweifel.“
„Das ist möglich, liebes Kind…“
„Nennen Sie mich nicht so!“, stieß Janet Roumer aufgebracht zwischen den Zähnen hervor.
Dolores war im Gegensatz zu ihrer Besucherin die Ruhe selbst.„Ich bestreite nicht, dass Ihr Vater hier gewesen sein könnte. Das ist gut möglich. Es verkehren hier sehr viele Männer, Miss Roumer. Aber Sie können doch nicht von mir verlangen, dass ich mich an jeden Einzelnen erinnere. Ich habe das Bild Ihres Vaters betrachtet. Mehr kann ich nicht für Sie tun.“
Janet Roumers Lippen zitterten.„Sie können… Sie wollen nur nicht.“ Sie löste sich von dem Barfach und kam langsam auf die Spanierin zu.„Vielleicht regt Folgendes Ihr Gedächtnis ein bisschen an, Dolores. Ich hatte zu meinem Vater ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Vater verschwieg mir nichts. Er hat mir erzählt, dass er Sie kennengelernt hat und dass Sie ihm… recht amüsante Abenteuer versprochen haben.“
Dolores verzog keine Miene und schwieg.
„Als ich der Polizei in Córdoba die Suchmeldungüberbrachte, kam mirüberhaupt nicht in den Sinn, dass das Verschwinden meines Vaters etwas mit seinen Barbesuchen und seinem…Wunsch, das Leben in vollen Zügen zu genießen, zu tun haben könnte. Seitdem sind fünf Tage vergangen, Dolores. Einige Dinge sind mir klar geworden; ich habe angefangen, mir Gedankenüber das zu machen, was mein Vater mir erzählt hat.“
Dolores zuckte die Achseln und zog es vor, weiter zu schweigen.
„Mein Vater sprach davon, dass er eine illegale Glücksspielhölle kennenlernen werde, auf Ihren Vorschlag hin“, fuhr Janet Roumer fort.„Er hatte sogar eine Eintrittskarte.“ Sie beobachtete die Spanierin genau.
Dolores lächelte leicht.„Ich verstehe Sie nicht, liebes… Miss Roumer.“ Sie wandte sich um, als Janet Roumer auf sie zukam, und nahm auf einem der leichten, gepolsterten Stühle Platz. Das Zimmer war wie eine Garderobe eingerichtet. Dennoch konnte man diesem Raum eine gewisse Gemütlichkeit und Bequemlichkeit nicht absprechen. Die Möbel waren leicht, fast schwerelos, weiß lackiert und mit Goldborten versehen. Auf dem Boden lag ein dicker, flauschiger Fellteppich, der das Zimmer bis auf den letzten Quadratzentimeter bedeckte. Die Polster auf den Stühlen waren rubinrot, ebenso die Nylondecke auf der breiten, bequemen, mit Kissenüberladenen Bettstatt. Kühl und lichtschluckend die dunkelblauen, schweren Vorhänge. Ein harter, aber keineswegs unmöglicher Kontrast.
„Sie verstehen mich nicht?“ Janet Roumer flüsterte die Worte gefährlich.„Sie streiten ab, meinen Vater gekannt zu haben? Hören Sie mir nicht zu? Ich weiß, dass er mit Ihnen zu tun hatte. Sie empfahlen ihm eine illegale Spielhölle, Frauen, Geld… und ich kann mir vorstellen, wie mein Vater darauf reagierte. Er stürzte sich kopfüber in dieses Abenteuer. Sie rechneten nicht damit, dass mein Vater darüber sprechen könne. Auch mich bat er inständig zu schweigen. Er wusste, wie gefährlich das alles war, auf das er sich einließ. Aber so war er eben, das Verbotene lockte ihn. Meine Warnungenüberhörte er. Als ich meine Suchmeldung aufgab, verschwieg ich zunächst diese Dinge, doch nun muss ich alles sagen. Haben Sie keine Angst vor der Polizei?“
Dolores lachte leise.„Warum sollte ich, Miss Roumer? Sie bringen sich damit doch nur selbst in Schwierigkeiten, das ist alles. Man wird Sie auslachen. Wer wird Ihnen glauben?“
„Ich sagte bereits, dass ich einiges weiß, und dass ich bisher geschwiegen habe, aus Dummheit und aus Rücksichtnahme meinem Vater gegenüber. Ich wollte seinen Namen nicht in den Schmutz ziehen. Doch nun ist eine Grenze erreicht. Mein Vater wurde entführt, vielleicht sogar Schlimmeres. Er hatte sehr viel Geld dabei, er war ein fettes Opfer. Die Polizei wird herausfinden, wie viel Sie wirklich darüber wissen!“