1. KAPITEL
Zehn Minuten, nachdem der Pfarrer ihren Bruder Dan und dessen Verlobte Zoe zu Mann und Frau erklärt hatte, stand Celia Forrester auf den Altarstufen der kleinen Kapelle in den West Midlands und wappnete sich für den Moment, den sie bereits seit Stunden fürchtete.
Hätte sie all die Dinge in ihrem Leben, die ihr absolut keinen Spaß machten, auf eine Top Ten-Liste setzen müssen, ihre wöchentliche Fitnessstunde hätte es ungefähr auf Platz acht geschafft. Ein Vierundzwanzig-Stunden-Tag in ihrer Firma auf Rang fünf. Ein Abendessen mit ihrem Vater auf Platz drei.
Doch Seite an Seite mit Marcus Black aus dieser Kirche zu laufen, war für Celia der unangefochtene Platz eins auf ihrer persönlichen Liste des Schreckens.
Gestern Abend noch hatte es so ausgesehen, als ob es wider Erwarten nicht dazu kommen würde. Dans bester Freund – und somit sein Trauzeuge – hätte bereits am Vortag in der an Wales grenzenden Grafschaft Shropshire ankommen sollen. Doch zum Entsetzen aller – mit Ausnahme von Celia – war er in dem kleinen Dorf am Fuße des einsamen Hügellandes nicht aufgetaucht. Dan hatte etwas von einem verpassten Flug gemurmelt und erklärt, dass Marcus es wohl erst zum Hochzeitsempfang schaffen würde. Celias heimliche Erleichterung über diese Nachricht war so groß gewesen, dass sie ihrem Bruder nicht weiter zugehört hatte.
Alles, woran sie noch hatte denken konnte, war, dass sie offenbar dem absoluten Super-GAU entkommen war. Mit etwas Glück würde sie bei Marcus’ Eintreffen auf dem Hochzeitsempfang bereits einige Gläser Champagner intus haben, und sie hoffte, dass es ihr so gelingen würde, den erschreckenden und unangenehmen Effekt zu verbergen, den Dans bester Freund auf sie ausübte.
Celia hätte nichts lieber getan, als Lily – Zoes Schwester und zweite Brautjungfer – und ihrem frischgebackenen Verlobten Kit allein durch den Gang zu folgen. Sie war gut darin, Dinge allein zu tun, und je später sie Marcus traf, desto besser. Dieser Mann, ein Playboy ersten Grades, war so gutaussehend, dass sein Anblick offenbar sogar ihn selbst um den Verstand gebracht hatte. Und nicht allein deshalb war er Celia seit Jahren ein Dorn im Auge. Abgesehen von dem verwirrenden Effekt, den er auf jede Frau ausübte, schien er Celia ebenso sehr zu hassen wie sie ihn, und ohne Zweifel würde er daraus bei der erstbesten Gelegenheit keinen Hehl machen.
Also noch in der Kirche .
Wer konnte Celia daher einen Vorwurf machen, dass sie den Moment der Konfrontation so lange wie möglich aufschieben wollte?
Vor ein paar Stunden, als Zoe und ihre beiden Brautjungfern mit riesigen Lockenwicklern im Haar und frisch lackierten Nägeln im Gästezimmer des alten Bauernhauses saßen, das der Familie der Braut gehörte, hatte man ihnen mitgeteilt, dass Marcus es doch zur Hochzeitszeremonie schaffen würde. Und so hatte sich Celias Gefühl grenzenloser Erleichterung ins Gegenteil verkehrt.
Der Schock und die Enttäuschung, die in diesem Moment über sie kamen, überraschten Celia. Ihre Haut hatte gebrannt, ein Schwall glühender Hitze war durch ihren Körper gefegt, und sie hatte plötzlich das Gefühl gehabt, nicht mehr auf einem Stuhl, sondern auf einem Nadelkissen zu sitzen.
Irgendwie hatte sie es geschafft, ihre Reaktion zu verbergen. Natürlich. Denn zum einen war sie daran gewöhnt zu verstecken, was sie in Bezug auf Marcus fühlte, und zum anderen war heute doch ein schöner, ein ganz besonderer Tag. Der schönste Tag in Dans und Zoes Leben. Und dabei sollte es nicht um die Schwierigkeiten gehen, mit denen sich andere Menschen im Leben herumplagten. Wie zum Beispiel um die Tatsache, dass Celia von dem Moment an, als sie die Kirche betrat, nicht mehr die Augen von Marcus abwenden konnte. Er stand neben Dan am Altar, groß, dunkelhaarig und in einem Anzug, der seine umwerfend attraktive Statur betonte.
Dennoch hatte Celia es geschafft, gelassen und unbeeindruckt zu erscheinen. Und sie war sicher, es würde ihr auch weiterhin gelingen, solange rund fünfzig Augenpaare das Brautpaar, die beiden Brautjungfern und ihre Begleiter gerührt betrachteten. Sie würde an Marcus’ Seite die Kirche verlassen, ohne sich mit ihm zu streiten.
In ungefähr dreißig Sekunden.
Als der Organist den Hochzeitsmarsch anstimmte, drehten Dan und Zoe sich um und schritten strahlend den Kirchengang hinunter. Celia straffte die Schultern, atmete tief durch und pflasterte ebenfalls ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Ich werde nicht zulassen, dass Marcus mir irgendwie zu nahe kommt, sagte sie sich, während sie ihre Gedanken auf all die schönen Dinge lenkte, die an diesem Tag passierten. Sie wollte vergessen, dass sie bereits während der Trauzeremonie gegen die ständige Versuchung ankämpfen musste, in Marcus’ Richtung zu sehen. Dass sie seit gut einer Stunde seinen Blick auf ihrem Körper gespürt hatte. Sie wollte auch nicht darüber nachdenken, dass es ihr noch nie gelungen war, diesen Mann einfach auszublenden. Irgendw