PROLOG
Fünf Monate zuvor
Er hatte den unnachgiebigen Gesichtsausdruck eines Geschäftsmannes, der gewohnt war, seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen.
Aber war er auch ein Mörder?
Jacinda Endicott betrachtete ihn aufmerksam und prägte sich jede Einzelheit ein: das dichte dunkelbraune Haar, den wachsamen Blick, das ausgeprägte Kinn. Der Smoking, den er trug, betonte seine breiten Schultern sehr vorteilhaft, und beinah nachlässig hielt er das Champagnerglas in einer Hand. Er strahlte die Eleganz eines Cary Grants oder George Clooneys aus.
Doch lächelte er nicht, sondern wirkte im Gegenteil sehr ernst und nachdenklich. Er sah direkt in die Kamera, und zwischen ihm und den anderen schien eine gewisse Distanz zu herrschen. Mit seiner stattlichen Erscheinung überragte er sowohl das Paar zu seiner Rechten als auch die beiden Männer, die links von ihm standen.
Jacinda konnte den Blick nicht von ihrem Computerbildschirm abwenden.
Gage Lattimer ließ in der Tat Frauenherzen höher schlagen. Unwillig gestand sie sich ein, dass selbst sie sich seiner Ausstrahlung nicht zu entziehen vermochte.
Der unnahbare Gesellschafter und Geschäftsführer der Risikokapitalfirma Blue Magus Investments gab nur wenig von sich in der Öffentlichkeit preis, bestach aber durch sein selbstbewusstes Auftreten. Er gehörte zu jener Art von Männern, von denen sich Marie angezogen gefühlt haben musste … bevor diese Affäre sie das Leben gekostet hatte.
Der Gedanke an ihre jüngere Schwester versetzte Jacindas Herzen einen Stich.
Obwohl es nun schon zwei Wochen her war, fiel es ihr immer noch schwer zu glauben, dass Marie für immer von ihnen gegangen war. Jacinda hoffte, der Albtraum würde einfach enden, aber jeden Morgen wurde ihr die Realität schmerzhaft bewusst, noch bevor sie die Augen öffnete.
Sie fragte sich insgeheim, ob die Dinge jemals wieder ihren normalen Lauf nehmen würden. Schenkte man den Worten der Polizei Glauben, hatte sich Marie vom Dach ihres eleganten New Yorker Apartments in der Park Avenue in den Tod gestürzt. Selbstmord, davon gingen die ermittelnden Beamten aus.
Jacinda weigerte sich jedoch zu glauben, dass sich ihre hübsche und lebensfrohe Schwester das Leben genommen haben sollte. Es war beispielsweise kein Abschiedsbrief gefunden worden – und gab es denn nicht immer einen? Außerdem waren keine Spuren von Drogen in Maries Blut nachgewiesen worden.
Nachdenklich schüttelte Jacinda den Kopf. Das alles ergab einfach keinen Sinn.
Ihre abenteuerlustige Schwester hatte an der Universität von St. Andrews studiert und war unmittelbar nach ihrem Abschluss allein nach New York gezogen. Es war ihr nicht schwergefallen, ihre Familie in England zurückzulassen, da sie von der Sehnsucht nach einem glamourösen Leben im Stil vonSex and the City getrieben worden war. In New York hatte Marie dann zunächst als Angestellte bei einem Immobilienmakler gearbeitet, sich aber bald mit einer eigenen Firma selbstständig gemacht, und das sehr erfolgreich: Mit Disziplin und ihrer einnehmenden Persönlichkeit war es ihr rasch gelungen, einige überaus lukrative Aufträge an Land zu ziehen.
Und jetzt war Marie tot. Sie war nur fünfundzwanzig Jahre alt geworden.
Gleichgültig, was die Polizei ihr weismachen wollte, Jacinda glaubte nicht daran, dass ihre Schwester gesprungen war. Sie war in den Tod gestoßen worden.
Doch von wem? Und vor allem: warum?
Den ersten Hinweis dafür hatte Jacinda zufällig erhalten, in New York gefunden. Ihre Eltern, ihr Bruder und si