Schimin, der Schmied
Noch nicht lange waren wir geritten, als wir Hufschlag hinter uns vernahmen. Wir wendeten uns um und erblickten einen Reiter, der uns im Galopp einzuholen trachtete. Wir zügelten also unsere Tiere, um ihn heran zu lassen, und erkannten bald Malhem, den Türhüter Hulams. Er ritt ein schwer bepacktes Pferd, von dem er herabsprang, als er uns erreicht hatte.
»Sallam!« grüßte er kurz.
Wir erwiderten diesen Gruß, und auf unsere fragenden Blicke erklärte er mir:
»Verzeiht, Effendi, dass ich euren eiligen Ritt unterbreche! Mein Herr gebot mir, euch zu folgen.«
»Weshalb?« fragte ich.
»Um euch dieses Pferd zu bringen.«
»Was hast du aufgeladen?«
»Proviant und andere notwendige Dinge, die ihr vielleicht brauchen werdet.«
»Wir sind bereits für mehrere Tage versorgt!«
»Mein Herr glaubte an die Möglichkeit, dass diejenigen, die ihr verfolgt, von der Straße abweichen könnten. Wenn sie sich in die Berge schlagen, so findet ihr nur Futter für die Pferde, für euch aber nichts.«
»Dein Herr ist sehr gütig; aber dieses schwer bepackte Pferd ist doch nur geeignet, unseren Ritt zu verlangsamen.«
»Ich habe es euch gebracht; ich muss gehorchen; ich kann nicht anders. Warin saghlik ile Allah jol atschliklighi – bleibt gesund; Allah gebe euch eine gute Reise!«
Bei diesen Worten warf er dem Pferd die Zügel über den Hals, wandte sich um und rannte eiligen Laufes davon, zurück in die Stadt.
Sofort drehte Halef sein Pferd herum, der Stadt entgegen, und fragte:
»Soll ich ihm nach, Effendi?«
»Wozu?«
»Ihn festnehmen und herbringen, damit er deinen Willen erfährt?«
»Nein, lass ihn gehen. Wir haben keine Zeit zu versäumen.«
»Was wird da in den Decken und Matten verpackt sein?«
»Das brauchen wir jetzt nicht zu wissen. Wir werden nachsehen, wenn es Abend geworden ist und wir wegen der Dunkelheit nicht weiter reiten können. Nimm du das Pferd am Zügel. Vorwärts wieder!«
Der unterbrochene Ritt wurde fortgesetzt. Ich ritt voran, und die anderen folgten. Es geschah dies aus dem Grund, weil ich nach Spuren suchen musste, obwohl es kaum denkbar war, dass solche zu finden seien.
Der Weg war, obwohl keine Straße zu nennen, doch leidlich belebt. Der kleine Hadschi hatte ganz recht gehabt, als er sagte, dass hier die Fährte eines Verfolgten nicht so leicht zu entdecken sei wie in der Sahara.
Darum richtete ich mein Augenmerk auch nicht auf den Weg selbst, sondern auf den Rand desselben, der dem Flussufer entgegen lag. So lange ich nicht die Spuren fand, dass drei Reiter von der Richtung, die wir verfolgten, abgewichen waren, konnte ich ziemlich sicher sein, dass wir die Verfolgten vor uns hatten.
Es begegneten uns Reiter, schwerfällige Wagen und Fußgänger, doch richtete ich an niemand eine Frage. Da die Flüchtigen bereits am vorigen Abend hier geritten waren, konnte keiner der uns Begegnenden sie getroffen haben.
Auch an den kleinen Häusergruppen, die wir passierten, hielt ich nicht an, da hier keine Wege abzweigten, die Barud el Amasat hätte einschlagen können. Aber als wir eine kleine Ortschaft erreichten, Bu-kiöj genannt, von der einige Pfade zur Seite liefen, hielt ich an und fragte den Ersten, den ich traf:
»Sallam! Gibt es in diesem Ort, den Allah segnen möge, vielleicht einen Bekdschi?«1
Der Gefragte trug einen riesigen Sarras an der Seite, einen fürchterlichen Knüppel in der Rechten, hatte über den Fez ein Tuch geschlagen, das früher jedenfalls eine Farbe gehabt hatte, jetzt aber nur so vom Schmutz starrte, und ging – barfuß. Er betrachtete mich eine ganze Weile und schickte sich dann an, diese eingehende Beobachtung auch über die anderen ergehen zu lassen.
»Nun?« bemerkte ich ungeduldig.
»Sabr, sabr – Geduld, nur Geduld!« antwortete er.
Er stützte sich auf seinen Stock und begann die Gestalt des kleinen Hadschi einer eingehenden Besichtigung zu unterwerfen. Halef Omar aber langte mit der Hand nach den Sattelösen, zog seine Peitsche hervor und fragte:
»Kennst du vielleicht dieses Ding hier?«
Der Gefragte warf sich in Positur, griff nach dem Säbel und antwortete:
»Kennst du dieses hier, Kleiner?«
Kleiner! Kein anderes Wort hätte Halef Omar so wie dieses beleidigen können. Er holte zum Schlag aus; ich aber drängte rasch mein Pferd zwischen ihn und den Bedrohten und warnte:
»Keine Übereilung, Halef! Dieser Mann wird mir meine Frage schon beantworten.«
Ich zog einige kleine Münzen aus der Tasche, zeigte sie dem Sarrasträger und wiederholte:
»Also, gibt es hier einen Bekdschi?«
»Gibst du mir das Geld?« fragte er.
»Ja.«
»So her damit!«
Er streckte die Hand aus.
»Erst die Antwort!«
»Ja, es gibt einen Bekdschi. Nun aber gib mir das Geld!«
Es waren nur einige kupferne Parastücke.
»Hier hast du!« sagte ich. »Wo wohnt der Bekdschi?«
Er steckte das Geld ein, zuckte mit den Schultern und fragte dabei grinsend:
»Bezahlst du auch diese Frage?«
»Du bist bereits bezahlt!«
»Für die erste, aber nicht für die zweite.«
»Gut, hier hast du noch zwei Fünfparastücke! Also, wo wohnt der Bekdschi?«
»Dort im letzten Haus,« antwortete der Mann, auf ein Bauwerk deutend, das er zwar Haus nannte, das aber nicht einmal die Bezeichnung Hütte, sondern nur den Namen Stall verdiente.
Wir setzten uns in Bewegung, in die angegebene Richtung. Als wir die baufällige, einstöckige Wohnung erreichten, stieg ich vom Pferd, um an das Loch zu treten, das als einziger Ein- und Ausgang diente. In diesem Augenblick aber trat eine Frau heraus, die durch den Hufschlag unserer Pferde hervorgelockt worden war.
»O jazik! Atsch gözünü – o wehe! Nimm dich in Acht!« rief sie und trat eiligst zurück.
Ihr Gesicht war nämlich nicht verschleiert gewesen, woran allerdings nicht wir die Schuld trugen. Auch sie war barfuß. Ihr Körper war in ein altes zerfetztes Tuch gehüllt, und ihr Haar hatte ganz das Aussehen, als ob ihr Scheitel eine Filzmanufaktur im Kleinen sei. Wasser war jedenfalls seit Monaten nicht an ihr Gesicht gekommen.
Ich glaubte beinahe, dass sie sich nicht wiedersehen lassen werde; aber nach einigen ungeduldigen Ausrufen meinerseits kam sie doch wieder zum Vorschein. Sie hielt den Boden eines zerbrochenen Korbes vor ihr Gesicht. Durch die Ritzen des alten Weidengeflechtes konnte sie uns sehen, ohne dass es uns möglich war, uns an ihrer Schönheit zu weiden.
»Was wollt Ihr?« fragte sie.
»Hier wohnt der Bekdschi?« musste ich abermals fragen.
»Ja.«
»Du bist sein...