: Karl May
: Von Bagdad nach Stambul Reiseerzählungen
: Null Papier Verlag
: 9783954187195
: Karl May bei Null Papier
: 3
: CHF 2.20
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: Spannung
: German
: 633
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Überarbeitete Ausgabe in Neuer Deutscher Rechtschreibung Scheik Mohammed Emin fällt einem Überfall der Kurden zum Opfer. Sein Sohn trennt sich von der Gruppe, um die Angreifer zu verfolgen. Kara Ben Nemsi und Halef erkranken schwer an der Pest, als sie einer Todeskarawane begegnen, erreichen aber schließlich Damaskus. In den Ruinen von Baalbek treffen sie auf einen alten Feind. Der vorliegende Text ist im »Deutschen Hausschatz« unter dem Titel »Die Todes-Karavane«, »In Damaskus und Baalbeck«, »Stambul« und »Der letzte Ritt« erschienen. Null Papier Verlag

Karl Friedrich May (25.02.1842-30.03.1912) war ein weltweit erfolgreicher, deutscher Autor von Abenteuergeschichten und historischen Erzählungen. Er war sehr produktiv, sein Werk umfasst Hunderte von Fortsetzungsromanen, Novellen und Geschichten. Er ist einer der am häufigsten übersetzten deutschen Schriftsteller. Die weltweite Auflage seiner Werke wird auf 200 Millionen geschätzt, davon 100 Millionen in Deutschland (Stand 2015). Bekannt wurde er vor allem durch seine Reiseerzählungen, die vorwiegend im Orient, in den Vereinigten Staaten und in Mexiko Ende des 19. Jahrhunderts spielen. Besondere Berühmtheit erlangten die Geschichten um den Indianerhäuptling Winnetou. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Un­ter Die­ben
          


Im Sü­den von den großen sy­ri­schen und me­so­po­ta­mi­schen Wüs­ten­ein­öden liegt, vom Ro­ten Meer und vom Per­si­schen Golf um­ge­ben, die Halb­in­sel Ara­bi­en, wel­che ihre äu­ßers­te Kan­te weit in das stür­me­rei­che ara­bisch-in­di­sche Meer hin­ein er­streckt.

An drei Sei­ten ist die­ses Land von ei­nem zwar schma­len, aber au­ßer­or­dent­lich frucht­ba­ren Küs­tensau­me ein­ge­fasst, wel­cher nach in­nen zu ei­ner wei­ten, wüs­ten Ho­chebe­ne em­por­steigt, de­ren teils trüb­se­li­ge, teils gro­tes­ke Land­schafts­bil­der be­son­ders im Os­ten durch hohe, un­weg­sa­me Ge­birgs­stö­cke ab­ge­schlos­sen wer­den, zu de­nen ganz haupt­säch­lich die öden Ber­ge von Scham­mar zu zäh­len sind.

Die­ses Land, des­sen Qua­drat­mei­len­zahl man heu­te noch nicht ge­nau an­zu­ge­ben ver­mag, wur­de im Al­ter­tum ein­ge­teilt in »Ara­bia Pe­traea«, in »Ara­bia De­ser­ta« und in »Ara­bia Fe­lix«, zu Deutsch: in das pe­traei­sche, wüs­te und glück­li­che Ara­bi­en. Wenn noch öf­ters jetzt ge­wis­se Geo­gra­fen der An­sicht sind, dass der Aus­druck »Pe­traea« ab­zu­lei­ten sei von dem grie­chisch-la­tei­ni­schen Wort, das »Stein, Fels« be­deu­tet, und des­halb die­sen Teil des Lan­des das »stei­nich­te« Ara­bi­en nen­nen, so be­ruht das auf ei­ner irr­tüm­li­chen Auf­fas­sung; die­ser Name ist viel­mehr zu­rück­zu­füh­ren auf das alte Pe­tra, wel­ches die Haupt­stadt die­ser nörd­lichs­ten Pro­vinz des Lan­des war. Der Ara­ber nennt sei­ne Hei­mat »Dschis­rat el Arab«,1 wäh­rend sie bei den Tür­ken und Per­sern »Ara­bis­tan« ge­nannt wird. Die jet­zi­ge Ein­tei­lung wird ver­schie­den an­ge­ge­ben; die no­ma­di­sie­ren­den Ein­woh­ner las­sen je­doch nur den ein­zi­gen Un­ter­schied der Stäm­me gel­ten.

Über die­sem Lan­de wölbt sich ein ewig hei­te­rer Him­mel, von wel­chem des Nachts die Ster­ne rein und klar her­nie­der­bli­cken; durch die Berg­schluch­ten und über die zum großen Teil noch un­er­forsch­ten Wüs­te­ne­be­nen schweift der halb­wil­de Sohn der Step­pe auf pracht­vol­lem Pferd oder auf un­er­müd­li­chem Ka­mel. Sein Auge ist über­all, denn er lebt mit al­ler Welt in Streit und Un­frie­den, nur mit den An­ge­hö­ri­gen sei­nes Stam­mes nicht. Von ei­ner Gren­ze bis zur an­de­ren zieht bald der sanf­te Hauch ei­ner rei­nen, mil­den, bald der rau­schen­de Odem ei­ner trü­ben, wil­den Poe­sie, wel­cher den Wan­de­rer über­all um­weht, wo er nur im­mer wei­len mag. So kommt es, dass man be­reits vor lan­gen Jahr­hun­der­ten Hun­der­te von ara­bi­schen Dich­tern und Dich­te­rin­nen kann­te, de­ren Lie­der im Mun­de des Vol­kes leb­ten und die mit Hil­fe des Grif­fels für spä­te­re Zei­ten fest­ge­hal­ten wur­den.

Als Stamm­va­ter der ech­ten Ara­ber oder Jok­ta­ni­den gilt Jok­tan, der Sohn Huds, wel­cher ein Ab­kömm­ling Sems im fünf­ten Glie­de war, und des­sen Nach­kom­men das glück­li­che Ara­bi­en und die Küs­te Te­ha­ma bis hin­ab zum Per­si­schen Golf be­wohn­ten. Jetzt su­chen vie­le Stäm­me eine Ehre dar­in, von Is­ma­el, dem Soh­ne Ha­gars, ab­zu­stam­men.

Die­ser Is­ma­el soll, wie die Sage be­rich­tet, mit sei­nem Va­ter Abra­ham nach Mek­ka ge­kom­men sein und dort die hei­li­ge Kaa­ba er­rich­tet ha­ben. Das Wah­re aber ist, dass die Kaa­ba von dem Stam­me der Ko­re­i­schi­ten ge­stif­tet oder we­nigs­tens aus­ge­baut wur­de. Un­ter den Hei­lig­tü­mern, die sie be­saß, wa­ren der Brun­nen Zem-Zem und der an­geb­lich vom Him­mel ge­fal­le­ne schwar­ze Stein die be­rühm­tes­ten.

Hier­her pil­ger­ten die ver­schie­de­nen Stäm­me der Ara­ber, um da ihre Stamm- oder auch wohl Haus­göt­zen auf­zu­stel­len und ih­nen ihre Op­fer und Ge­be­te dar­zu­brin­gen. Da­her war Mek­ka den Ara­bern das, was Del­phi den Grie­chen und Je­ru­sa­lem den Ju­den ge­we­sen ist; es bil­de­te den Mit­tel­punkt für die weit­hin zer­streu­ten No­ma­den, die sich ohne den­sel­ben in al­len Rich­tun­gen ver­lo­ren hät­ten.

Da sich die­ser hoch­wich­ti­ge Punkt im Be­sitz der Ko­re­i­schi­ten be­fand, so war die­ser Stamm der mäch­tigs­te und an­ge­se­hens­te Ara­biens und in­fol­ge­des­sen auch der reichs­te, weil die von al­len Sei­ten her­bei­kom­men­den Pil­ger nie ohne Ge­schen­ke oder wert­vol­le Han­dels­wa­ren an­zu­lan­gen pfleg­ten.

Ein ar­mer An­ge­hö­ri­ger die­ses Stam­mes, Na­mens Abd Al­lah,2 starb im Jah­re 570 nach Chris­tus, und ei­ni­ge Mo­na­te spä­ter, am 20. April 571, der auf einen Mon­tag fiel, ge­bar sei­ne Wit­we Ami­na einen Kna­ben, wel­cher spä­ter Mo­ham­med3 ge­nannt wur­de. Es ist sehr wahr­schein­lich, dass der Kna­be vor­her einen an­de­ren Na­men ge­tra­gen hat und erst dann, als sei­ne pro­phe­ti­sche Wirk­sam­keit ihn zu ei­nem her­vor­ra­gen­den Mann mach­te, den Ehren­na­men Mo­ham­med er­hielt. Die­ser Name wird auch Mu­ham­med, Mo­hammad und Mu­hammad ge­schrie­ben, und aus Ehr­furcht vor dem Pro­phe­ten wagt es nie ein Gläu­bi­ger, ihn in die­ser Fas­sung zu tra­gen; das Wort wird dann meist in Me­hem­med ver­wan­delt.

Dem Kna­ben wa­ren von sei­nem Va­ter nur zwei Ka­me­le, fünf Scha­fe und eine abys­si­nische Skla­vin hin­ter­las­sen wor­den, wes­we­gen er sich zu­nächst auf den Schutz sei­nes Groß­va­ters Abd-al-Mo­ka­lib und nach des­sen Tode auf die Un­ter­stüt­zung sei­ner bei­den On­kel Zu­heir und Abu Ta­leb an­ge­wie­sen sah. Da die­se Män­ner aber nicht viel für ihn tun konn­ten, so muss­te er sich sein Brot als Schaf­hir­ten­jun­ge ver­die­nen. Spä­ter wur­de er Ka­mel­trei­ber und Bo­gen- und Kö­cher­trä­ger, wo­bei sich wahr­schein­lich sein krie­ge­ri­scher Sinn ent­wi­ckelt hat.

Als er fünf­und­zwan­zig Jah­re zähl­te, trat er in den Dienst der rei­chen Kauf­manns­wit­we Cha­di­dscha, der er mit sol­cher Treue und Auf­op­fe­rung diente, dass sie ihn lieb ge­wann und ihn zu ih­rem Ge­mahl mach­te. Das große Ver­mö­gen sei­ner Frau ging ihm aber spä­ter ver­lo­ren. Er leb­te nun bis zu sei­nem vier­zigs­ten Jah­re als Kauf­mann und Händ­ler. Er kam auf sei­nen wei­ten Rei­sen mit Ju­den und Chris­ten, mit Brah­ma­nen und Feu­er­an­be­tern zu­sam­men und gab sich Mühe, ihre Re­li­gio­nen ken­nen zu ler­nen. Er litt an der Epi­lep­sie und in Fol­ge des­sen an ei­ner Ver­stim­mung des Ner­ven­sys­tems, wel­che ihn sehr zu Hal­lu­zi­na­tio­nen ge­neigt mach­te. Sei­ne re­li­gi­ösen Grü­belei­en wa­ren der Hei­lung die­ser Krank­heit nicht sehr för­der­lich. Er zog sich schließ­lich gar in eine Höh­le zu­rück, wel­che in der Nähe von Mek­ka auf dem Ber­ge Hira lag. Hier hat­te er sei­ne ers­ten Vi­sio­nen.

Der Kreis der Gläu­bi­gen, wel­cher sich um ihn ver­sam­mel­te, be­stand zu­nächst nur aus sei­ner Frau Cha­di­dscha, aus sei­nem Skla­ven Zaïd, aus den bei­den Mek­ka­nern Oth­man und Abu Bakr und aus sei­nem jun­gen Vet­ter Ali, der spä­ter den Ehren­na­men Areth-Al­lah4 er­hielt und zu den un­glück­lichs­ten Hel­den des...