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Die Rückführung
Im Jahr 1990, lange bevor ich jemals etwas Bedeutendes über Ägypten gelesen, geschweige denn das Land besucht hatte, ging ich zu einem angesehenen Rückführungstherapeuten, um meine allererste Erfahrung mit dieser heute so beliebten Form der psychischen Selbsterkundung zu machen.
Er ist ein angesehener Psychologe und wurde mir von einer lieben Freundin empfohlen, die sich in seiner Obhut von einigen inneren Dämonen befreien konnte. Sie war so begeistert von ihren Erfahrungen und dem tiefgreifenden Heilungsprozess, der durch ihre Entdeckungen in diesen Sitzungen in Gang gesetzt wurde, dass sie mich überredete, einen Termin zu vereinbaren und ein Flugticket nach Boston zu buchen, um mich selbst zu überzeugen. Sechs Monate später suchte ich ihn auf – mehr aus Neugierde, sagte ich mir, als aus dem Bedürfnis nach Heilung.
Andererseits, glaube ich, wird unser Wunsch, unsere vergangenen Inkarnationen zu enthüllen, von diesem Bedürfnis angetrieben, da es letztlich die Aufgabe der Seele ist, die Dunkelheit der verdrängten Erinnerungen zu vertreiben, damit wir die karmischen Ketten der Vergangenheit loslassen können … um unseren Weg zur Erleuchtung zu beschleunigen und ein glücklicheres, erfüllteres Leben im Jetzt zu führen.
Mein erster Eindruck bestätigte die Empfehlung meiner Freundin für diesen kraftvollen Heiler, und ich hatte keinerlei Schwierigkeiten, alle Ängste oder Erwartungen loszulassen, die ich in Bezug auf ihn oder die Sitzung hatte, die ich bei ihm machen wollte. Schon nach einem recht kurzen Vorbereitungsgespräch fühlte ich mich ruhig, entspannt und bereit, mich zu dem führen zu lassen, was im tiefen Brunnen meines Unterbewusstseins darauf wartete, von mir entdeckt zu werden.
Vom Klang der Stimme des Psychologen hypnotisiert, gelang es mir rasch, die Ablenkungen meines plappernden Verstandes hinter mir zu lassen. Ich bemerkte, wie das Hundegebell vor seiner Praxis und die Hintergrundgeräusche eines Telefons im Nebenraum langsam aus meinem Bewusstsein verschwanden … und wie wunderbar entspannt ich mich fühlte: Ich sank in seinen dick gepolsterten Sessel und ließ mich auf die Erfahrung ein.
Ganz frei von Ablenkungen konnte ich seinen Suggestionen folgen und mich vom Fluss seiner Stimme treiben lassen, im Frieden mit der Welt. Ich vernahm den Klang einer tiefen inneren Stille, und die aufrührerische Stimme des Widerstands in mir wich langsam den Thetawellen eines ruhigen Geistes.
Als er mich dazu anleitete, mir vorzustellen, dass ich mich außerhalb meines Körpers befinde und im heiligen Raum schwebe, sah ich sofort ein wunderschönes Auge vor mir. Es hatte die Farbe von reinstem Türkis, war aber durchscheinend – wie das kristallklare Wasser uralter Küsten (man kann es sich nur vorstellen).
Er bat mich, es zu identifizieren: War es vielleicht das Auge eines menschlichen Wesens, das ich betrachtete, oder handelte es sich womöglich um eine andere Lebensform?
Abb. 1. Die Pharaonen galten als Verkörperungen des Himmelsgottes Horus, der das Königtum symbolisierte.
Abb. 2. Das Auge des Horus steht für Stärke, Gesundheit, Sicherheit und Leben.
Nein, ich sah deutlich, dass es ein Symbol war, so etwas wie das kunstvoll glasierte Keramikabbild eines Auges: definitiv nicht menschlich, definitiv nicht lebendig. Später wurde mir klar, dass ich in das allsehende »Auge des Horus« der ägyptischen Überlieferung geblickt hatte.
Das Auge verschwand, kurz nachdem es in meiner Vision erschienen war, und ich wurde in ein Hologramm sich drehender Räder katapultiert, die zunächst als Zahnräder einer großen Maschinerie erschienen und sich dann in die Spiralarme leuchtender Galaxien verwandelten.
Für einen flüchtigen Moment schwebte ich irgendwo weit jenseits, im tiefen Weltraum, gebadet ins funkelnde Licht unzähliger Sterne. Ich wurde zu diesem Licht – reinem Sternenlicht – und interagierte mit den galaktischen Feuern, die mich als bewusste, lebende Wesen umgaben. Himmlische Musik durchströmte alles, was existierte, und spiegelte die Seelenessenz eines jeden Sterns am Himmel wider, und alles war vollkommen und großartig »Eins«. Alles erstrahlte im Geist und im Licht des Bewusstseins, und ich war erfüllt von diesem Gefühl der »totalen Verbundenheit« mit allem, was existiert – dem unendlichen und untrennbaren Einssein der Schöpfung. Ich konnte die Sphärenmusik hören, die Klänge eines jedes Lebewesens, sanft gespielt auf den Schwingungssaiten der Akasha-Chronik. Es war wirklich in jeder Hinsicht ein Moment der Erleuchtung.
Ich gab mich dieser ehrfurchtsvollen Erfahrung hin, nur um plötzlich aus dem Zustand der Glückseligkeit herausgerissen und gewaltsam in das Zentrum eines tosenden Strudels gezogen zu werden. Ich wurde unkontrolliert im Kreis herumgewirbelt. Mir wurde immer schwindeliger, bis ich schließlich schrie, dass mir schlecht werden würde, wenn es mir nicht gelang, mich loszureißen und den Weg zurück ins Freie zu finden.
Aus der Ekstase der Kommunikation mit dem Licht, aus meinem Tanz zur Musik der Sterne wurde ich in einen Zustand extremer Orientierungslosigkeit und Angst versetzt: plötzlich völlig abgetrennt von allem. Übelkeit stieg in meiner Kehle auf, und ich fühlte mich, als ob ich mich an nichts und niemandem festhalten konnte – ich stürzte taumelnd hinab in Unbewusstheit und Vergessen.
Verzweifelt rief ich um Hilfe.
Der Therapeut leitete mich schließlich an, die wirbelnde Bewegung zu verlangsamen und meine Gedanken dorthin zu lenken, wo ich mich wiederfand, wenn der Strudel zum Stillstand kam.
Zu meinem Erstaunen hörte die wilde Drehbewegung fast so schnell auf, wie sie begonnen hatte.
Der Baldachin des Sternenhimmels verschwand.
Jetzt stand ich vor dem Eingang zu einem Bergwerk. Es war ein Stollen, eine von Holzbalken umgebene Öffnung in einer grob behauenen Felswand. Der Rückführungstherapeut drängte mich, alles zu beschreiben, was sich in meinem Blickfeld befand, aber es gab nicht viel, was ich wirklich erkennen konnte.
Ich war unangenehm allein – irgendwo – in einer abgelegenen Wüstenlandschaft. Ich spürte, wie die Sonne auf meiner Haut brannte, und hörte den Wind über den Sand peitschen. Meine Füße fühlten sich an, als würden sie in Flammen stehen. Das Einzige, was ich deutlich erkennen konnte, war die Öffnung dieses unheimlichen Minenstollens.
Der Therapeut forderte mich auf, näher heranzutreten, damit ich einen Blick in den Stollen werfen konnte, aber ich sagte ihm, dass ich das nicht könnte … ich wollte nicht … ich war einfach nicht in der Lage, mich dem Stolleneingang zu nähern, fühlte mich emotional und körperlich wie gelähmt. Ich konnte nur von meinem Standort in sicherer Entfernung hineinblicken und sah hinter der Öffnung nichts als undurchdringliche Dunkelheit.
Diesen Ort wollte ich nicht erkunden – auf keinen Fall!
Plötzlich verwandelte sich das Bild. Der Stolleneingang sah nun wie der Eingang zu einer Art Grab aus, mit ägyptisch anmutenden Hieroglyphen, die in glatte, weiße Kalksteinwände gemeißelt waren. Da war wieder das Auge (das blaue Auge, das ich gesehen hatte, während ich Gott weiß wo schwebte). Es starrte mich von der Wand rechts des Säulenganges an.
Ich blickte auf die innere Leinwand meiner Visionen und versuchte, einen klareren Eindruck zu bekommen. Was sah ich dort wirklich? Ja, es handelte sich um ein Gr