Deutung religiöser Erfahrungen
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Veronika Hoffmann | Fribourg (CH)
geb. 1974, Dr. theol., Professorin für Dogmatik an der Universität Fribourg
veronika.hoffmann@unifr.ch
„Hermeneutik gegen den Anschein“
Zur Deutung negativ erlebter religiöser Erfahrungen
Woran macht sich Glaube fest? Wie gewinnt und bewahrt er die Stabilität, die er braucht, um das Leben zu tragen und zu formen?1
Traditionell bezog man sich für die Gewissheit des Glaubens vor allem auf die Bibel und das kirchliche Lehramt. Diese galten als die Autoritäten, die den Glauben objektiv verbürgten. Religiöse Erfahrungen betrachtete man hingegen als Formen persönlicher Aneignung, an denen sich aber für die Wahrheit des Glaubens nichts entschied. Man kann das Credo in einer schönen Vertonung singen und davon mehr berührt werden, als wenn man es spricht, aber der Bekenntnisakt ist der gleiche.
Der Vorrang der Erfahrung
Die religiösen Autoritäten sind jedoch in die Krise geraten. Der Status der Bibel als „Heilige Schrift“ ist für viele durch ihre historische Kontingenz und innere Pluralität fragwürdig geworden. Das kirchliche Lehramt hat erst recht an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Demgegenüber nimmt das Gewicht der eigenen Erfahrung zu. Wie viele Menschen werden heute noch jeden Sonntag eine Messe besuchen, obwohl diese sie unberührt oder gar frustriert zurücklässt, allein aus der Einsicht heraus, dass die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11) ist? Von Gestalten persönlicher Aneign