1 Zur Freude geboren
1979 besuchte eine Gruppe von japanischen Buddhisten und Shintoisten unser Kloster in St. Ottilien. Die Mönche haben einige Zeit mit uns gelebt und den Alltag mit uns geteilt. Vor ihrer Abreise kamen Journalisten: „Was ist Ihnen am meisten im Kloster aufgefallen?“ Das war die erste Frage. Ich selber hielt in Erwartung der Antwort ein wenig die Luft an. Und dann sagten die Gäste aus Asien: „Die Freude.“
Meine spontane Reaktion: Wenn das Nietzsche gehört hätte!
Ich bin überzeugt, das Christentum braucht mehr Moral und weniger Moralin. Und Nietzsches Forderung, „Sie müssten fröhlicher aussehen die Christen“, gilt auch heute noch.
Wir sind zum Glück und zur Freude bestimmt, nicht zum Leiden und zum Unglück. Keiner wird auf die Frage, wozu er geboren sei, sagen: zum Trauern. Zum Leben, wenn es da ist, gehört Fülle, auch die Freude in Fülle. Jesus hat gesagt: Ich möchte, dass sie das Leben in Fülle haben – und damit auch die Freude in Fülle. Gemeint ist echte Freude, nicht die Scheinfreude, die die Werbung aufoktroyiert. Jesu Grundgefühl ist die Freude am Leben. Diese Freude, die aus Gott kommt, ist eine Möglichkeit, Gott kennenzulernen. Das ist der Kern seiner Botschaft: „damit meine Freude in euch ist und euere Freude vollkommen wird.“ ( Joh 15,11)
Wir sind also sicher auch nicht auf die Welt gekommen, damit wir Angst haben. Die ständige Tendenz, zu kontrollieren, bestimmte in der Vergangenheit nicht selten die Wirklichkeit in den Klöstern und die christliche Alltagsmoral. Das hat Angst erzeugt. Es war, von heute aus gesehen, aber eher ein Infantilismus, wo Gehorsam als Unterwürfigkeit verstanden wurde oder beides miteinander verwechselt wurde.
Die monastische Tradition hat ganz andere Orientierungspunkte, auf die wir uns beziehen können. „Wie lange noch schenkst Du allen andern Deine Aufmerksamkeit, nur nicht Dir selber? Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne Dich Dir selbst.“ Das ist die Empfehlung des Bernhard von Clairvaux. Er hat es im 12. Jahrhundert an seinen Schüler Bernhard von Pisa geschrieben, den Mönch, der Papst wurde und den Namen Eugen III. annahm. So wichtig das Amt des Papstes ist, so gewaltig und vielfältig die Aufgaben, so bedeutend die Bürde – er rät Gregor, seine Zeit nicht nur anderen zu widmen, sondern sein eigenes Leben, sich selber nicht zu vernachlässigen. Bernhard kannte die Schwächen und die Stärken des Menschen. Tief verwurzelt in der benediktinischen Spiritualität kannte er auch die Notwendigkeit und den Sinn asketischer Lebensführung. Aber Gottgefälligkeit und Menschenfreundlichkeit gehören für diesen Heiligen zusammen.
Sich etwas gönnen ist ein Zeichen des weiten Herzens, der Großzügigkeit und der mitteilenden und wohlwollenden Lebensfreude, die andere nicht ausschließt.
Wir haben nur diese Lebenszeit. Und sie ist kostbar. Wir haben teil am Reichtum des Daseins.
Wer weiß, wie lange wir auf der Welt sind ...
Für uns alle gilt: Leben ist endlich.
Deshalb ist es durchaus richti