»Ich hatte keine andere Wahl«
Der einarmige Pianist Paul Wittgenstein
Der Erfolg seines ersten Konzerts war vielversprechend, auch wenn die Kritik nicht allzu viel Notiz von ihm nahm. Doch beim Publikum schlug das Debüt des Pianisten in Wiens Großem Musikvereinssaal ein. Man schrieb den 26. Juni 1913, Paul Wittgenstein war gerade 26 Jahre alt und schien eine große künstlerische Karriere vor sich zu haben. Fast auf den Tag genau ein Jahr später wurde Österreich-Ungarns Thronfolgerpaar in Sarajewo ermordet, der Erste Weltkrieg brach aus und Paul Wittgenstein wurde zu den Waffen gerufen.
Nach nur wenigen Wochen an der Front passierte das denkbar Schlimmste, das einem Konzertpianisten widerfahren kann. Dem Unteroffizier der Reserve Paul Wittgenstein wurde bei Gefechten in Galizien durch eine Kugel der Ellbogen zerschmettert. Sein rechter Arm musste amputiert werden.
Eine Tragödie unvorstellbaren Ausmaßes, die wohl jeder andere Pianist mit dem Ende seiner Laufbahn quittiert hätte. Doch statt zu verzweifeln, investierte Paul Wittgenstein seine ganze Kraft, um mit der verbliebenen linken Hand auf dem geliebten Instrument weiterzuspielen. So malte er noch als Patient im Kriegslazarett eine Tastatur auf ein Stück Karton, auf der er mit der linken Hand beharrlich trainierte. »Da Klavierspielen das Einzige ist, was ich habe«, wird er später einem Freund schreiben, »hatte ich sozusagen keine andere Wahl.«
Aus russischer Kriegsgefangenschaft in Sibirien entlassen, setzte Paul Wittgenstein trotz der schweren Verwundung seinen Kriegsdienst, nun an der italienischen Front, fort. Und feierte während eines Heimaturlaubs am 12. Dezember 1916 seinen zweiten öffentlichen Auftritt, wieder im Großen Musikvereinssaal. Der mittlerweile 29-Jährige gab, im Programmheft als »linkshändiger Pianist« angekündigt, Frédéric Chopinsc-Moll-Nocturne. An dieser außergewöhnlichen Leistung konnte selbst Wiens gestrenge Musikkritik nicht achtlos vorübergehen. Während der Rezensent desWiener Montagsblatts das Konzert »mit Ausdrücken der höchsten Bewunderung« versah, schrieb Julius Korngold in derNeuen Fre