Helen stand nachts an der Tankstelle, neben dem Taxi. Außerhalb von Lelystad, im Norden der Niederlande. Es stürmte, aber Helen brauchte Snacks. Sie kam von ihren Aufbauarbeiten im Raumfahrtmuseum und war unterwegs in die Stadt, zu ihrem Apartment. Die Straßenlampen an den Überspannleitungen bebten, deshalb wankte das Licht andauernd. Staub wurde aufgewirbelt, spiralförmig. Die Wolkenschicht pulsierte cremig. Unweit schimmerten die Logos eines Fast-Food-Restaurants. Helens glatte, schwarze Haare reichten knapp über ihre Ohren; an den Ohrläppchen hingen jeweils goldene Ringe. Auf unmerkliche Weise hatte sie eine lange Nase und große, zu den Seiten geschwungene Augen; ausgreifende Brauen. Ihre Lippen waren schmal. Sie hatte eine schwarze Bluse und eine weiße Stoffhose an.
Kurz hielt sie inne und betrachtete das Einkaufszentrum gegenüber, das besetzte Palazzo. Das Gelände war gesäumt von einer zweifach gesicherten Befestigungszone, verbarrikadiert hinter blinkenden, holografischen Sperrmarkierungen und Backsteinmauern. Angeblich waren überall Sprengsätze angebracht, um Räumkommandos fernzuhalten. Es gab nur eine Zufahrtsmöglichkeit: ein schweres Eisentor, schwarz lackiert; eine matte, abschreckende Fläche, vor der drei Menschen in blauen Overalls und Skimasken standen, schwer bewaffnet, das Sicherheitsteam des Palazzos.
Helen lief zum Shop der Tankstelle. Die Schiebetüren öffneten sich automatisch. Die Verkaufsräume waren rosafarben erleuchtet. Sie ging ratlos durch die Gänge, nahm sich eine Flasche Cola und einen Packen Kakao aus dem Kühlregal. Die grauen Fliesen waren gerade gewischt worden. An manchen Stellen waren sie feucht, und Helen hinterließ absichtlich die Abdrücke ihrer Turnschuhe darin. Auf einer Ablage blinkte die vollautomatische Kaffeemaschine grell auf, weil Wasser nachgefüllt werden musste.
Helen stellte die Cola und den Kakao auf den Tresen und verlangte vier Rubbellose. Kaugummikauend kam die junge Frau mit ihren blau gefärbten Haaren Helens Wünschen nach. Helen zog eine EC-Karte aus der Tasche und bezahlte. Sie bedankte sich. Die junge Frau nickte ihr zu und fragte, ob sie noch mehr brauche. »Ich verstehe nicht«, sagte Helen, »mehr von was?« »Einfach mehr von allem«, sagte die junge Frau. Helen überlegte. Schließlich sagte sie: »Ich nehme zwei Käsebrötchen und noch mal vier Rubbellose.« Wieder zahlte sie mit ihrer EC-Karte. »Noch mehr?«, fragte die junge Frau. Helen schaute unschlüssig rum. Sie war besorgt, ob der Taxifahrer warten würde. Sie zuckte mit den Schultern und wendete sich ab. Als sie wieder rauskam, stockte sie. Der Wind war stärker geworden. An einem der Stahlträger, die das Wellblechdach der Tankstelle stützten, war ein Spender für Einweghandschuhe angebracht; aus dem Gehäuse wand sich ein Band aneinander haftender, fast durchsichtiger Schutzhüllen, das im Sturm heftig hin und her geworfen wurde. Sobald es für einen Moment ruhiger war, trank Helen verwirrt Cola. Dann sah sie zu, wie das Plastikband von Neuem zu tanzen schien. Der Spender gab unentwegt weitere Schutzhüllen aus. Offenbar war der Bewegungssensor vom Wind ausgetrickst worden. Helen starrte auf das sich schlängelnde, rauschende Plastikband, das von selbst immer länger wurde. Unmenschlich schön, dachte sie. Während sie zum Taxi lief, näherte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein weißer Lieferwagen mit abgedunkelten