Cordelia sah das Pferd zuerst. Es stand an die Außenwand eines Gasthauses gelehnt, als hätte es gesoffen, und schaute leer in die von einer Unzahl Sterne perforierte Nacht. Sein linker Vorderhuf war in Schonstellung gebracht. Ein weißes Spitzenhäubchen, das es über seinen Ohren trug, wurde von einer Laterne so stark angestrahlt, dass sich eine flirrende Aura darum bildete, während das schwarze, dumpfe Fell alles übrige Licht absorbierte, nur an manchen Stellen beinahe bläulich aufschimmerte. Einem so derartig räudig ausschauenden Tier so etwas aufzusetzen, so ein dekoratives Deckchen, kam mir boshaft vor wie ein grausamer Kinderstreich. Es trug keinerlei Zaumzeug, Geschirr oder Sattel; so wirkte das Pferd wie jemand, der einen Hut trägt und ansonsten nackt ist, wobei der Hut nicht von der Nacktheit ablenkt, sondern sie ganz im Gegenteil grotesk verstärkt. Ich blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen. Cordelia trat vorsichtig ins Sichtfeld des Pferdes, die linke Hand zur Beschwichtigung erhoben. Der Schweif des Rappen schlug abwechselnd gegen die Wand und gegen die eigene Flanke, ansonsten war das Pferd reglos. Es machte nicht den Eindruck, als könne es noch gefährlich werden.
Die Fensterläden des Gasthauses waren verschlossen. Kein Licht leuchtete dahinter, auch in den anderen Häusern war es dunkel, die ganze Straße entlang. Einzig die Gaslaternen schimmerten sanft, und damit es nicht zu sehr wie vor hundert Jahren aussah, gab es da und dort ein beleuchtetes Schaufenster.Die letzten Tage, warb ein Bekleidungsgeschäft in handgeschriebenen Lettern. Ich wagte mich näher heran, weil meine Nichte Cordelia sich näher wagte und weil auf ihr Urteil, anders als auf meines, Verlass war. Das Pferd sah mich erst, als auch ich direkt in sein Blickfeld trat. Es erschrak nicht, also erschrak ich ebenfalls nicht. Es stieß mich mit dem Kopf an, der eben noch trübe heruntergehangen hatte, und ich begann, es zu kraulen. Meine Hände waren beherzt und angstlos. Als ich sicher war, dass es gegen Berührungen nichts einzuwenden hatte, nahm ich ihm die Haube ab, denn Tiere, die sowas tragen, haben schon genug Erniedrigungen über sich ergehen lassen. Ich ließ sie zu Boden fallen und schob sie mit der Fußspitze ein Stück beiseite, bis dass ein Gully sie sich einverleib