: Wolf-Dieter Storl
: Von Heilkräutern und Pflanzengottheiten
: Kailash
: 9783641370657
: 1
: CHF 17.60
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: Natur
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Pflanzen als Heiler, als Ernährer, als Wohltäter, als Götter und Dämonen - das Wissen um die Wirkung von Pflanzen und Kräutern ist so alt wie die Menschheit selbst. Dieses Buch macht uns mit all diesen Aspekten bekannt und lehrt uns, sie zu respektieren und anzuerkennen, dass Pflanzen eine Seele haben, einen eigenen Charakter und eine Persönlichkeit, die uns sehr viel mehr beeinflussen kann, als wir es vielleicht wahrhaben möchten. Der Kulturanthropologe und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl erklärt unter anderem auch, wie wir mit Pflanzenseelen in Kontakt kommen und wieder lernen können, die Heilkraft oder Zaubermacht einer Pflanze intuitiv zu erfassen. Der Inhalt des Buches basiert zu einem großen Teil auf den persönlichen Erfahrungen des Autors mit Kräuterkundigen unterschiedlicher Kulturen.

Dr. Wolf-Dieter Storl, geboren 1942, ist Kulturanthropologe und Ethnobotaniker. Er wanderte 1954 mit seinen Eltern in die USA (Ohio) aus, wo er die meiste Zeit in der Waldwildnis verbrachte. Nach dem Studium der Botanik und Völkerkunde an der Ohio State University lehrte er als Dozent für Soziologie und Anthropologie an der Kent State University. 1974 promovierte er als Doktor der Ethnologie in Bern.
Seine zahlreichen Reisen und Feldforschungen prägten sein Denken und fanden ihren Niederschlag in vielen erfolgreichen Büchern. Wolf-Dieter Storl lebt seit 1988 mit seiner Familie auf einem Einsiedlerhof im Allgäu.

Die klassische Wiedergeburt

Die Renaissance war sicher keine »Wiedergeburt« der Kultur, aber eine Zeit tiefgreifender Veränderungen und neuer Möglichkeiten. Kunst und Wissenschaft des klassischen Altertums, darunter auch die botanischen Schriften des Theophrast und des Dioskurides, wurden neu entdeckt und ausgewertet. Diese Heilkräuterkunde wurde mit der Lehre von den Signaturen der Planeten, also der Astrologie, aufs Neue verbunden. Die Erfindung der Druckkunst machte die Buchvervielfältigung zu einem rentablen Unternehmen. Neben der Bibel waren es vor allem die Kräuterbücher, die Interesse erweckten. Dazu brachten die Portugiesen und spanischen Konquistadoren unbekannte neue Pflanzen, Kräuter und Gewürze aus den neuentdeckten Erdteilen mit.

Konstantinopel wurde von den Türken eingenommen – fliehende byzantinische Gelehrte trugen ihre Lehren und Gedanken in den vom Dornröschenschlaf erwachenden Westen. Hervorragende jüdische Ärzte lehrten in Salerno und in Spanien – ehe sie 1492 von dort vertrieben wurden – und brachten nüchterne, rationelle, sogar mechanistische medizinische Theorien zur Geltung. Die Zigeuner – etwas indische Würze in dem brodelnden Brei – tauchten erstmals in Europa auf. Die Seereisen des Vasco da Gama, des Christoph Kolumbus und des Ferdinand Magellan, die Dekadenz der Kirche, der Aufstand der Protestanten und vieles andere brachten die Kultur des hohen Mittelalters zum Siedepunkt: Die Welt wurde aus den Angeln gehoben, das feste Weltgefüge begann zu wanken. Wo konnte man da Gewissheit und Sicherheit finden? Unter den führenden Geistern entbrannte der Kampf um die Richtung, in die zu gehen war. Ein Kirchenlied aus der Zeit gibt die Stimmung wieder:

Ach Gott, es geht gar übel zu,

Auf dieser Erd ist keine Ruh,

Viel Sekten und groß Schwärmerei

auf einen Haufen kommt herbei.

Den stolzen Geistern wehre doch,

Die sich mit Gwalt erheben hoch

Und bringen stehts was Neues her,

Zu fälschen deine rechte Lehr.

Nikolaus Seinecker (1572)

Die Protestanten (Luther, Zwingli und der Ayatollah Chomeini der Reformierten, Jean Calvin) suchten den sicheren Boden im Wort Gottes – in der schriftlichen Offenbarung. »Heiden« wie Paracelsus suchten in dem anderen Buch, in dem sich Gott der Menschheit offenbart: im Buch der Natur. Giordano Bruno suchte in den Sinnen, die Neuplatoniker – Agrippa von Nettesheim, Ficino, Trithemius – in okkulter Hochmagie, andere wiederum in einer kontrollierten Beobachtung und den Zwängen der Logik, was sich zur Experimentalwissenschaft späterer Epochen entwickelte. Es war eine belebte Zeit, voller Widersprüche und Übertreibungen.

Das traf auch auf die Heilkunde zu. Gegen die neuen Schrecken, die über die Europäer hereinbrachen, die Pest und die »Franzosenkrankheit« (Syphilis), war das alte System des Galenus und des Avicenna (ein persischer Verfechter galenischer Ideen) hilflos. Man suchte nach neuen Mitteln und Heilverfahren, ebenso wie man nach neuen Handelsrouten suchte. Der schöpferischste Arzt seiner Zeit, Aureolus Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493 bis 1541), der sich selber Paracelsus nannte, wagte es, diesbezüglich die hehren Autoritäten anzuzweifeln, und scheute sich nicht, den Kräutersammlern in die Körbe zu schauen, Hexen, Zigeuner und Hirten