Kapitel 1:
Wann ist der Mensch ein Mensch?
Wann kann man zum ersten Mal von einem Menschen sprechen?
Es scheint, dass der Mensch sich zum ersten Mal als Mensch zeigte, als er das Feuer entdeckte und die Sprache entwickelte. Denn das unterscheidet ihn von anderen Tieren. Alle Tiere haben Angst vor dem Feuer, und Tiere sprechen nicht wie wir, wenigstens nicht auf dieser Ebene, auf der wir uns befinden. Tiere geben einander Signale, Zeichen, die immer auf das Hier und Jetzt und auf die Gegenwart bezogen sind. Aber wir können heraustreten aus dem Hier und Jetzt und können Bezug nehmen auf Vergangenheit und Zukunft.
Wie unterscheidet sich der Mensch von anderen Hominiden?
Ich denke, es ist ein gradueller Unterschied. Die frühen Hominiden werden Steine oder Stöcke aufgehoben und als Werkzeug benutzt haben, so wie es Schimpansen und andere Primaten auch tun. Sie werden auch ein kompliziertes System von Signalen gehabt und zum Teil auch über Gestik und Mimik kommuniziert haben. Aber es muss irgendwann ein Zeitpunkt gekommen sein, an dem irgendeiner der Hominiden, vielleicht ein Australopithecus oder Homo erectus, das Feuer nutzen, z.B. einen brennenden Ast greifen und sich selbst herausnehmen konnte aus dem direkten Bezug zu seiner Umwelt. Mein Eindruck ist, dass das damit zu tun hat, dass bei den Menschen der kindliche Spieltrieb vorhanden war. Sie konnten spielerisch mit einem Feuer umgehen. Bei Tieren ist es auch so, dass die Jungtiere oft sehr verspielt sind, bis sie dann älter werden und ihr Verhalten zum großen Teil durch Instinkte geführt wird. Aber beim Menschen wird der Spieltrieb beibehalten. Überhaupt ist der Mensch, oder sind die Hominiden, ein Leben lang wie Jungtiere. Wir haben ja auch keine nennenswerte Körperbehaarung – und wenn man Affen beobachtet, sehen die Jungaffen viel menschlicher aus als die Altaffen. Und wir haben nicht nur physisch die Charakteristika von Jungtieren behalten, sondern auch in unserem Verhalten. In uns ist eine ständige Neugierde. Und irgendwann – für mich ist das so wie ein Blitzschlag des Bewusstseins – hat irgendein Primat die Furcht überwunden und das Feuer greifen können. Das ist wie das Überschreiten einer Schwelle, ein Übergang zu einer neuen Seins-Weise.
Ich stelle mir das so vor wie die Annäherung an ein seltsames Tier. Das Feuer erschien vielleicht wie ein Tier, das auch beißt, wenn man ihm zu nahe kommt. Und dem sich vorsichtig aber mit Neugierde angenähert wird. Und dann merkt man, dass man etwas damit tun kann.
Ja, genauso muss man sich das vorstellen.
Warum sind die Hominiden überhaupt von den Bäumen herabgestiegen? Die anatomische Umstellung vom Klettern auf Bäumen zum aufrechten Gang ist doch enorm. Wie ist das vonstatten gegangen und was hat die Hominiden dazu gebracht, das zu tun?
Die Wälder im Miozän, die ausgedehnten tropischen Wälder, in denen diese Primaten lebten, schrumpften, und es kam zu einer Art Konkurrenz, wer in den schönen Bäumen bleiben konnte und wer nicht. Die Schwächeren mussten ihre Plätze räumen und sich mehr oder weniger auf die Erde begeben. Es gibt ja Übergangsformen in den Fossilien: Man sieht, dass bei den ganz frühen Prähominiden die Zehen noch viel beweglicher waren, noch viel besser greifen konnten. Die sind zwar immer wieder in die Bäume geklettert, waren aber mehr am Erdboden, denn sie waren eigentlich die Verlierer des Wettbewerbs um die Bäume. Nun muss man sehen, dass die Hom