1. KAPITEL
„Drei Ehen habe ich für dich arrangiert – kein einziges Mal hast du es bis zum Altar gebracht. Das ist inakzeptabel!“ Laut dröhnte die Stimme von König Alaric von Aliano durch den Thronsaal. „Wenn erst einmal das Gerücht umgeht, dass mit dir etwas nicht stimmt, wird keine noch so großzügige Mitgift einen Mann dazu bewegen, dich zu heiraten.“
Juliana ließ die Tiraden ihres Vaters äußerlich gefasst über sich ergehen. Sie hielt sich kerzengerade, die Schultern gestrafft, das Kinn erhoben. Ihre Stiefmutter hatte ihr zwar nur wenig Zuwendung geschenkt, ihr dafür aber eine hervorragende Ausbildung zur perfekten Prinzessin und zukünftigen Königin zukommen lassen.
So ruhig und gelassen es ihr angesichts der ungerechten Vorwürfe möglich war, erwiderte sie: „Ich hatte zugestimmt, Prinz Nikolas zu heiraten. Als er jedoch entdeckte, dass seine rechtmäßige Ehefrau noch am Leben war, blieb ihm keine Wahl, als unsere Verlobung zu lösen.“
„Der Grund spielt keine Rolle!“
Kein Wunder, dass Vater wütend ist, dachte sie. Er wünschte sich, dass eines Tages wenigstens eines seiner Enkelkinder einen Thron außerhalb von Aliano bestieg. Zu diesem Zweck musste er sie mit einem ausländischen Kronprinzen vermählen. Dafür war ihm kein Preis zu hoch – in Form einer enormen Mitgift.
„Allein das Ergebnis zählt! Drei Mal …“
„Verzeihung, Vater“, unterbrach sie ihn zum ersten Mal in ihrem Leben. Widerspruch war ihr fremd, doch in diesem Fall weigerte sie sich, die Schuld auf sich zu nehmen. „Möglicherweise ist dir entfallen, dass du persönlich meine Verlobung mit Prinz Christian gelöst hast. Und Prinz Richard hatte sich kurz vor meinem Eintreffen auf San Montico in eine Amerikanerin verliebt.“
„Dennoch: Drei geplatzte Eheversprechen sind eine Schande für unsere Familie und ganz Aliano!“
In einem Anflug von Schuldbewusstsein blickte sie zu Boden. Tatsächlich war sie erleichtert gewesen, als sich herausstellte, dass Prinz Nikolas seine Ehe nicht annullieren konnte. Dabei hatte sie sich in seiner Heimat Veronia durchaus wohlgefühlt. Die Menschen dort waren sympathisch und aufgeschlossen, es gab zahlreiche große Seen, die sich ausgezeichnet zum Segeln eigneten. Zudem hatte sich der gut aussehende Prinz vorgenommen, sein Land grundlegend zu modernisieren. An seiner Seite hätte sie ungeahnte Freiheiten genossen. Leider liebte sie ihn nicht.
Eine Liebesheirat würde für sie als Prinzessin von Aliano allerdings ohnehin nur ein Traum bleiben.
„Wenn deine Mutter noch am Leben wäre …“, meinte Alaric kopfschüttelnd.
An Königin Brigitta konnte Juliana sich kaum noch erinnern. Lediglich aus Erzählungen wusste sie, dass ihre Mutter eine Reihe fortschrittlicher Ideen zur Gleichberechtigung der Frau mit in die ebenfalls arrangierte Ehe gebracht hatte. Der König, wider Erwarten heftig in seine hübsche junge Braut verliebt, hatte auf ihr Drängen hin entsprechende Gesetzesänderungen veranlasst. Zudem war das Paar häufig verreist, damit Brigitta ihrer Leidenschaft fürs Segeln nachgehen konnte, sehr zum Missfallen des Ältestenrates.
Nach ihrem Unfalltod bei einer Segelregatta im Südpazifik hatte der trauernde Witwer sich geschworen, nie wieder gegen die Konventionen zu verstoßen. Zwar gewährte er den Frauen in seinem Land weiterhin Zugang zu höherer Bildung, erließ jedoch strenge Richtlinien hinsichtlich ihrer Berufstätigkeit. Als er sich bald nach dem Unglück erneut vermählte, wählte er als Braut eine Adlige aus dem eigenen Volk, die ihren Platz in der traditionsbewussten Gesellschaft genau kannte.
„Sie hätte berücksichtigt, dass ich zeit meines Lebens alles getan habe, was von mir erwartet wird, aus Liebe und Respekt für dich, meine Familie und mein Volk.“
Leider zählte das im patriarchalischen Aliano wenig, wo Töchter aus allen Bevölkerungsschichten wie im 19. Jahrhundert beha