1. KAPITEL
Theo stand, die Hände in den Hosentaschen, nachdenklich an einer der Wände aus Glas und präsentierte den anderen vier Männern im Konferenzraum ein perfektes Profil. Allerdings dachte Theo selten, wenn überhaupt, an sein Profil. Er hatte seine Fehler und wäre der Erste, der dies zugeben würde – natürlich ohne sich dafür zu entschuldigen –, doch Eitelkeit gehörte nicht dazu. Selbst seine größten Kritiker müssten allerdings zugeben, dass er Grund genug hatte, eitel zu sein.
Bei einer Größe von eins neunzig und einem durchtrainierten Körper, was trotz der maßgeschneiderten Kleidung nicht zu übersehen war, fiel Theo überall auf. Zusätzlich zu seiner physischen Präsenz besaß er einen messerscharfen Verstand und den Ruf, dass ihm nichts entging.
Heute jedoch funktionierte er nicht wie sonst, was auch die Anwesenden bemerkten. Die nervös wirkenden Männer in Anzügen, die ihn mit teuren Ratschlägen versorgten, erwähnten es jedoch nicht.
Theo ärgerte sich über sich selbst und die Tatsache, dass er sich einfach nicht konzentrieren konnte. Doch er wusste genau, wo seine Gedanken waren – in der Toskana.
Ein Bild des Palazzos, in dem er aufgewachsen war, kam ihm in den Sinn. Er sah sich selbst als Jugendlichen, wie er Blumen auf das Grab seiner Mutter legte und seine Tränen auf den staubigen Boden fielen, während er sich schwor, seinen Vater für immer zu hassen.
Er starrte hinaus und bemerkte zum ersten Mal, dass der Regen immer noch anhielt.
Ob es wohl in der Toskana geregnet hatte, als Salvatore in der Familiengruft neben seiner verstorbenen Frau beigesetzt worden war? Oder schien die Sonne, während ein Großteil der gehobenen Gesellschaft Italiens den Worten des Priesters lauschte, welch ein guter Mann sein Vater gewesen sei?
Er selbst hatte das auch einmal gedacht und ihn verehrt. Doch dann hatte er die Wahrheit entdeckt. Er war damals dreizehn Jahre alt gewesen und immer noch in seinem schwarzen Anzug für das Begräbnis gekleidet. Unbemerkt hatte er sich versteckt, um die Tränen vergießen zu können, die er bei dem Begräbnis zurückgehalten hatte, denn seine Mutter hatte nie gewollt, dass er weinte. Es hatte sie immer traurig gemacht.
„Warum gehst du nicht zur Beerdigung deines Vaters?“, hatte Cleo heute Morgen gefragt, bevor er ihr Apartment verlassen hatte.
Die spärlich bekleidete üppige Rothaarige hatte nur beiläufig gefragt und war auch nicht beleidigt, als er nicht antwortete, während sie sorgfältig ihren roten Lippenstift auftrug.
Zusammen mit ihrem unersättlichen Hunger nach Sex machte das Cleo zur perfekten Begleiterin für ihn. Sie hatte kein Problem mit seinem Schweigen und stellte keine Forderungen.
Hat keine Forderungen gestellt, korrigierte er sich gedanklich.
Er war bereits an der Tür gewesen, als diese Situation sich geändert hatte – als sie die vergifteten Worte ausgesprochen hatte, die ihn kurz umkehren ließen.
„Also, wie geht es denn nun mit uns weiter, Liebling?“
Seine Antwort war knapp und auf den Punkt gebracht. Andere Leute setzten Ehrlichkeit mit Grausamkeit gleich, doch nicht Theo. Für ihn ging es nicht um Emotionen, sondern um schlichte Tatsachen.
„Gar nicht“, hatte er geantwortet.
Es hatte kurz und schmerzlos geendet, genau, wie er es mochte – ordentlich und ohne durch alberne Gefühle kompliziert zu werden. Schade eigentlich, Cleo war eine schöne und begehrenswerte Frau. Bis zu dieser Frage war sie genau die Frau gewesen, zu der er sich hingezogen fühlte. Talentiert und erfolgreich, genauso zielstrebig und ehrgeizig wie er selbst, mit einem eigenen Leben. Es war ein Pluspunkt für ihn gewesen, dass sie keine gemeinsamen Freunde oder übereinstimmenden Meinungen hatten. Sie war nicht interessiert daran, mit ihm irgendwohin außerhalb des Schlafzimmers zu gehen, auch wenn sie gelegentlich mit ihm bei öffentlichen Veranstaltungen gesehen wurde.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der Theo sich Sorgen gemacht hatte, ob nicht eine gewisse Art von Chemie mit ei