Zweiter Teil:
August 1951
William
An dem Sonntagmorgen sah William von seinem Buch auf und blickte über die Pariser Dächer, wo der blaue Himmel durch den sich auf lösenden Dunst schimmerte. Er und Nelson hatten vor, Paris in zwei Tagen zu verlassen und nach Rom weiterzureisen, aber es gab noch eine Liste von Museen und Sehenswürdigkeiten, die sie besichtigen wollten. Sie hatten ein strammes Programm, sahen sich tagsüber so viel an, wie sie schafften, und saßen dann bis in die Nacht hinein und tranken.
In etwas mehr als einer Woche würde er vierundzwanzig werden. Und jetzt saß er also in einem Appartement im sechsten Arrondissement. Ein kleiner Balkon mit Blick auf den Jardin du Luxembourg. Die Geräusche der Straße, die von unten heraufklangen. Der Geruch nach Verbranntem. William und Nelson, hier, zusammen auf der Europareise, die sie seit Kindertagen geplant hatten. Nelson studierte Jura und hatte Sommerferien; William hatte bei der Bank, bei der er seit seinem Abschluss arbeitete, Urlaubstage gesammelt. Morgens, wenn Nelson noch schlief, saß William oft auf dem Balkon, trank einen Kaffee und rauchte eine Zigarette, eine von den filterlosen französischen, während die Sonne hinter der malerischen Dächerlandschaft hervorspähte. Es kam dem Paris, das er sich so oft vorgestellt hatte, ziemlich nahe. Er wünschte, die Reise würde niemals enden.
Das Telefon klingelte. William stieß beim Hineingehen seinen Kaffee um, aber Nelson war schneller und meldete sich in seinem makellosen Französisch. Er lauschte, wandte sich zu William um und hob auf seine typische Art eine Augenbraue. »Deine Mutter«, gab er ihm tonlos zu verstehen. Er nickte und hob die Hand, als William nach dem Hörer greifen wollte. William wusste, dass etwas passiert sein musste. Sonst würde sie nicht anrufen, erst recht nicht so früh am Morgen. War etwas mit Tante Sarah? Mit Gerald?
Nelson gab ihm den Hörer.
»Mutter«, sagte William. »Was ist los?«
Er wandte Nelson den Rücken zu und betrachtete erneut die Silhouette von Paris, und noch bevor sie es ausgesprochen hatte, wusste er, dass Vater tot war. Ein Herzinfarkt bei der Gartenarbeit. Mutter weinte jetzt, er konnte sie kaum noch verstehen. William bemühte sich, nicht ungeduldig zu werden. »Mutter, bitte«, sagte er schließlich. »Sag mir nur das Wesentliche. Ich komme zurück, so schnell ich kann.«
Er nickte immer wieder und versuchte, ihrem holprigen Bericht zu folgen, aber vor allem schämte er sich, weil er so wütend war. Wütend auf Vater,