: Volker Streiter
: Die Spur der Schwefelhölzer Hans Christian Andersen mörderisch verwickelt
: neobooks Self-Publishing
: 9783756580590
: 1
: CHF 0.90
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 695
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Dänemark 1847. Hans Christian Andersen, Dänemarks berühmtester Dichter, ist auf Schloss Augustenborg Gast des Herzogs von Schleswig-Holstein. Als im Schlosspark ein Mädchen erstochen daliegt wie die Prinzessin auf der Erbse, fürchtet Andersen um seinen Ruf und flieht. Ihm zur Seite der Diener Johann. Überall da, wo sie Station machen, erleben sie ein neues Märchen, mörderisch inszeniert. Warum nur? Andersen beginnt, den Verstand zu verlieren, während sein Diener versucht, den Mörder zu finden. Doch wer jagt hier wen? Als Prinzessin Luise, Tochter des Herzogs, ihrem Lieblingsdichter zu Hilfe eilt, droht ihr, als Kleine Meerjungfrau zu enden.

Geboren in Soest/ Westf. Ab 1980 Polizist in Köln. Seit 2023 im Ruhestand. Autor von Küstenkrimis, darunter drei historischen. Er hat großes Interesse an Geschichte und den Lebensbedingungen in vergangenen Zeiten, das lässt ihn sorgfältig recherchieren. Für ihn ein Heidenspaß. Die Auswahl erforderlicher Informationen dagegen ist eine Qual, es gibt soviel zu entdecken in der Welt.

Augustenborg September 1847



Klagendes Wiehern drang hinauf zu den Fenstern der Beletage, ein Leiterwagen rumpelte und Pferdehufe setzten disharmonisch aufs Pflaster. Graf Holck, eben noch im Gespräch mit der Baronin vonPetersdorff, blickte hinaus, sah das aufgerissene, weiß leuchtende Auge des Pferdes, den Schaum um die Trense und den erhobenen Stock eines Knechtes. Lächelnd trat er so nahe an die Scheibe, dass sie beschlug. Seine Hand fuhr durchs Haar.

Da sauste der Knüppel nieder und zeitgleich, als wären sie ein Wesen, durchzuckte es Holck, während die Kreatur sich aufbäumte. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Als weitere Schläge folgten, stockte ihm der Atem, seine Augen glänzten, eine Röte überzog das von Natur aus wachsfarbene Antlitz. Er schien sich vom Anblick des Pferdes, eingespannt und leidend, nicht trennen zu können.

»Graf, wie ist Ihnen?« Die Baronin schaute auf sein erhitztes Gesicht, nur langsam lösten sich seine Finger, das Atmen verflachte.

»Es ist nichts, liebste Freundin, vielleicht der Kreislauf.«

»Dass sie die Tiere immer so schinden müssen.« Beiläufig sah sie auf die Straße hinunter.

»Tiere, Menschen, Leben heißt Leiden. Da zeigt sich die wahre Macht.« Ruckartig fuhr er herum, sah suchend im Saal umher und räusperte sich. »Lässt der Herzog seine Gäste stets warten? Mir ist der Hals ganz trocken.«

»Seine Gnaden werden sich gewiss noch mit Geschäften befassen oder sind in die Landespolitik verstrickt.« Fröstelnd rieb sich die Baronin die freien, etwas zu speckigen Unterarme, die eine scharfe Hautfalte derart von ihren kleinen Händen trennte, dass man sie für Puppenglieder halten konnte. Anlassgemäß hatte sie auf ein wärmeres Kleid aus feiner Wolle zugunsten eines weitausgeschnittenen aus Seide verzichtet. Doch die späte Sonne gelangte kaum durch die dicken Mauern von Schloss Augustenborg. »Es ist nun mal eine anstrengende Welt, in der wir leben. Selbst hier auf Alsen, so abgelegen die Insel auch sein mag, wird sich der Herzog den Bedrängnissen der Zeit nicht entziehen können. Aber Geschäft und Politik, das sind nun wirklich ermüdende Themen. Mein Freund, immerhin sind wir geladene Gäste und keine Bittsteller. Geduld, der Zuneigung unseres Gastgebers dürfen wir gewiss sein.«

Graf Holck verzog das Gesicht. »Morgen ein Dîner und ein Vorleseabend. Mir ist nach einer schneidigen Jagd. Hirsch, Wildsau und Fasan, das wäre was Rechtes. Oder ein Faustkampf. Es dürften sich doch Knechte und Diener genug finden, die bereit wären, sich für etwas Geld blutig zu schlagen. Aber Seine Gnaden schont lieber, wer ihm untertan ist. Vorleseabend! Mir schwant Übles.«

»Es soll ja dieser Andersen sein. Er tingelt nun schon seit Jahren durch die bessere Gesellschaft, von Sommerhaus zu Sommerhaus. Ich finde, er hat etwas von einem trällernden Waisenkind, das man herumreicht. Hoffentlich bleiben wir noch heute Abend von der Jahrmarktsgestalt verschont. Ich wüsste nicht, wie ich mich geben sollte.«

Holcks Blick ging gegen die Stuckdecke, eine schöne Arbeit, doch seine Langeweile blieb.