PROLOG
Thunder Mountain, Smoky Mountains, Ost-Tennessee
23:45 Uhr
Dwight McCoy unterhielt sich gern mit Gott.
Er saß in seinem Schaukelstuhl auf der Veranda und beobachtete mit starrem Blick den Sturm, der mit jeder Sekunde näherrückte, die zornigen kohlrabenschwarzen Wolken am Horizont und die zuckenden Blitze, die aus dem Nachthimmel schossen. Er freute sich immer auf den Plausch, den er am Wochenende mit dem Großen Boss hielt. Dieses Mal wurde sein Zwiegespräch allerdings von den Ziegen ruiniert. Die beiden rasteten total aus und blökten sich die Kehlen wund.
Dwight versuchte, sie zu ignorieren, indem er einen Zug von seinem Joint nahm und den Rauch tief in die Lungen sog. Normalerweise empfand er es als Genuss, einen ruhigen Freitagabend damit zuzubringen, mit der Bibel auf dem Schoß in seinem Stuhl auf der Veranda der Hütte vor sich hin zu schaukeln, an einem Joint zu nuckeln und der einseitigen Unterhaltung zu frönen. Aber heute versauten die Ziegen ihm den Abend.
Dwight wäre nie auf die Idee gekommen, dass ihm in Wahrheit nur noch drei Minuten blieben, bis er Gott persönlich begegnen würde. Und nicht nur das: Auch all seine Gebete sollten erhört werden. Aber so war das Leben halt, voller Überraschungen.
Die beiden Ziegen auf dem Rasen waren an der Eingangsveranda festgebunden und hörten nicht auf zu blöken, wurden immer erregter, stürmten plötzlich auf das Geländer zu und rammten ihre kurzen, dicken Hörner in das Holz.
»Immer mit der Ruhe, Jungs. Ganz ruhig, hört ihr?«
Dwight vernahm ein Donnergrollen. Er strich sich über den ungewaschenen Bart und richtete den Blick auf das, was sich hinter dem Chaos aus Gerümpel und zerdrückten Bierdosen auftat, das seinen Rasen zierte. Hoch oben am tiefschwarzen Nachthimmel, weit hinter seinem dreißig Jahre alten verrosteten Chevy-Pick-up und dem uralten, völlig ruinierten Traktor, brodelten Gewitterwolken.
Ein schweres rollte da an, so sah es aus. Dwight nahm einen kräftigen Schluck aus dem Einmachglas und gurgelte zunächst damit. Dann schluckte er den brennenden Schnaps herunter und seufzte.
Mann, das tut gut.
Er läutete das Wochenende immer mit einer kleinen Fiesta ein – einem Einmachglas mit selbstgebranntem Schnaps und ein paar richtig guten Joints. In der Gesellschaft zweier Ziegen und eines ramponierten alten Kühlschranks voller Bier entspannt auf der Veranda zu sitzen und sich ein paar atemberaubende Sommergewitter anzuschauen, war perfekte Unterhaltung. Am tiefschwarzen Horizont hatte die Vorstellung bereits begonnen – mit zuckenden Blitzen, denen Donnersalven folgten, die in der Dunkelheit wie Kanonenschüsse widerhallten.
Dwights Schwatz mit Gott war fester Bestandteil seines Wochenendprogramms. Um übermäßig tiefschürfende Dinge ging es dabei allerdings nicht. Er jammerte nur gelegentlich über das Leben schlechthin, das er seit Hildas Tod führte, oder darüber, was für einen schweren Tag er auf der zehn Morgen großen Farm in den Smokies mal wieder hinter sich hatte.
Wenn die Qualität des selbstgebrannten Schnapses oder der Joints zu wünschen übrig ließ und er dadurch den Eindruck bekam, Gott höre ihm nicht zu, setzten sich manchmal seine Ziegen – Barack und Obama – zu ihm und lauschten seinen Ausführungen. Dwight unterhielt sich gern mit ihnen, doch heute Abend schien keines der Tiere Lust auf ein Plauderstündchen zu haben.
»Immer mit der Ruhe, Jungs«, sagte er noch einmal. »Ganz ruhig, hört ihr?«
Die aufgeregten Ziegen benahmen sich irgendwie seltsam. Immer wieder stießen sie mit den Köpfen gegen das Geländer der Veranda und brachen –klack-klack – mit ihren gestutzten Hörnern Stücke aus dem Holz heraus. Im Allgemeinen machte es ihnen nichts aus, an der Veranda festgebunden zu sein.
»Worüber regt ihr euch denn so auf, Jungs?«
Sie schenkten ihm keinerlei Beachtung, sondern rammten ihre Hörner weiter in das Geländer.Klack. Klack. Dwight nahm an, dass der nahende Sturm der Gr