2. Kapitel
AnfangNovember
Das Hämmern bereitete Amelie Kopfschmerzen. So ging es schon seit einigen Wochen. Sechs der zehn Zimmer waren bereits fertig renoviert, Nummer sieben war in Arbeit, und das war kaum zu überhören. Die Wände wurden gestrichen, die Decken mit Stuck verschönert und die Badezimmer neu gefliest und ausgestattet. Die alten Waschbecken und Duschen flogen raus, dafür gab es schönen Naturstein, kombiniert mit dunkelgrünen oder beigefarbenen Fliesen. Nicht dieses Beige der Siebzigerjahre, sondern modern, hell, mit leichter Struktur in Edelmatt.
Die Einrichtung der Zimmer war vor einigen Jahre ersetzt worden, und das dunkle Nussbaumholz sah immer noch modern aus. Zusammen mit Ruth hatte Amelie neue Bettwäsche ausgesucht, die in allen Zimmern das gleiche Muster trug. Weiß mit türkisfarbenen Streifen, die seidig schimmerten. Alle Zimmer gleich auszustatten, schaffte eine einheitliche Atmosphäre und Routine in Sachen Reinigung. Das sparte Zeit. Amelie hatte vier Aushilfen eingestellt, die für die Reinigung der Zimmer und der übrigen Räumlichkeiten zuständig waren. Sie selbst kümmerte sich im Wechsel mit Ruth um den Empfang und das Frühstücksbüfett.
»Guten Morgen, Amelie! Ich habe zwei Briefe für dich. Einer ist ein Einschreiben, da brauche ich eine Unterschrift.« Die Postbotin hielt ihr einen Scanner unter die Nase, und schnell zeichnete Amelie gegen.
»Hier hat sich ja einiges verändert.« Staunend sah die Postbotin sich um. Der Empfangsbereich war neu gestaltet worden, mit einem zentralen Tresen und einer kleinen Sitzgruppe direkt neben der Tür. Nur der Holztisch mit der Bank und den Stühlen im hinteren Bereich des Foyers, an dem man es sich gemütlich machen konnte, war geblieben, jedoch mit bunten Kissen dekoriert worden.
»Ja, Hannah, wir sind fleißig. Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, und bis dahin wollen wir fertig sein.«
»Na, da bin ich gespannt, ob ihr das schafft. Die Weihnachtssaison beginnt gefühlt jedes Jahr früher. Ende August stehen schon die Lebkuchen bei den Discountern, und zu Weihnachten ist dann alles ausverkauft. So, ich muss los, hier sind deine Briefe.« Hannah reichte ihr die Umschläge und machte sich auf den Weg.
Amelie schnappte sich die Post und verschwand in das kleine Büro, das direkt hinter dem Empfang lag. Sie schloss die Tür, um den Krach so gut es ging auszuschließen. Vielleicht sollte sie später mal zum Friseur, um sich eine kleine Auszeit zu gönnen. Ihr rotes Haar könnte einen neuen Schnitt vertragen. Aber wollte sie wirklich das Haus verlassen? Die Temperaturen waren in den letzten Tagen drastisch gefallen. Auch heute war das Wetter nicht besonders einladend. Alles grau in grau und