Als ich meine Sachen packte, um mich auf einen langersehnten Surftrip gen Marokko zu begeben, war mir nicht klar, wie fundamental diese Reise mein Leben verändern würde. Was mit Vorfreude, Fernweh und dem Verlangen nach einer wohlverdienten Auszeit begann, mündete in einer Kündigung, einem Umzug und einem beruflichen Neubeginn. Von jetzt auf gleich war ich fest entschlossen, alles auf null zu setzen. Ich ließ meinen jahrelangen Lebensmittelpunkt, das mir vertraute Umfeld und einen gut bezahlten Job hinter mir, um mich voll und ganz einer rasant gereiften Überzeugung hinzugeben – komplett ohne Fallschirm für den Fall, dass es nicht klappt.
Rettungsschirme bremsen einen nur aus.
Dabei hatte ich alles, was man sich nur erträumen konnte. Geboren und aufgewachsen in Bulgarien, zog es mich bereits früh raus in die Welt. Ich war schon immer neugierig und getrieben, andere Menschen, Sprachen und Kulturen kennenzulernen, die Erde zu bereisen, schillernde Orte zu entdecken und die faszinierende Natur zu erkunden. Ich hatte das Glück und das Privileg, dass meine Eltern diesen Lern- und Entdeckungsdrang stets unterstützen konnten. Aber sie wären nicht die fürsorglichen Eltern, die sie sind, wenn sie mich nicht auch auf das Leben vorbereitet hätten. Etwas Solides zu lernen und sich eine Zukunft aufzubauen: Anwältin. Das hätte ihnen gefallen. Es war mein Kindheitstraum, andere bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen. Also was machte ich als Zehnjährige? Ich stolzierte durch das Haus meiner Großeltern, schnappte mir das nächstbeste dicke Buch, schlug es wahllos auf und tat so, als rezitierte ich Gesetze. Das funktionierte jedoch nur mit mäßigem Erfolg, weshalb ich diesen Traum Traum sein ließ. Dennoch kann ich rückblickend sagen, dass dieser Ehrgeiz, für die gerechte Sache einzustehen, und der unbedingte Wille, anderen Menschen zu helfen, sich bis heute wie ein roter Faden durch mein Leben ziehen. Es war ein früher Fingerzeig, wer ich bin und was ich mit meinem Leben anfangen sollte.
Plan B, damals noch mit Rettungsschirm, war ebenfalls bodenständig. So zog es mich nach London, um Business Management an der London School of Economics and Political Science (LSE) zu studieren. Diese Zeit war unschätzbar wertvoll für mich und meinen weiteren beruflichen Werdegang. Ich tauchte ein in die Welt der Wirtschaftslehre, des Unternehmertums sowie der Finanzkennzahlen. Und bei allem, was ich lernte, reifte in mir die Erkenntnis, dass diese etablierte Lehre und Sicht auf Wirtschaft und Wachstum unsere heutige veränderte Welt nicht mehr vollends widerspiegelte. Eine Einsicht, die zum damaligen Zeitpunkt noch kein greifbarer, klarer Gedanke war, mich aber wenige Jahre später infolge meiner Reise nach Marokko wie ein Blitz traf.
Bevor es jedoch so weit kommen kon