: Jan Siegemund
: Öffentlichkeit als Waffe Schmähschriften als Mittel des Konfliktaustrags in Kursachsen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
: UVK Verlagsgesellschaft mbH
: 9783739806136
: Konflikte und Kultur ? Historische Perspektiven
: 1
: CHF 0.50
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: 20. Jahrhundert (bis 1945)
: German
: 428
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Einsatz von Schmähschriften galt als weit verbreitetes Phänomen vormoderner Streitkultur. Die vorliegende Publikation trägt dazu bei, ein neues Licht auf die Strukturen und Dynamiken frühneuzeitlicher Öffentlichkeit zu werfen. Auf der Grundlage von Kriminalakten erstellte, mikrohistorische Fallstudien zeigen, wie diese ,libelli famosi' eingesetzt und verbreitet wurden, welche Effekte sie zeitigten und wie Betroffene sich gegen die oft anonymen, öffentlichkeitswirksamen Angriffe zur Wehr setzten. Die Analyse verdeutlicht daürber hinaus den Sonderstatus der Schriften im Repertoire der damaligen Mittel eines ehrbezogenen Konfliktaustrags, der bedingt war durch eine neuartige Öffentlichkeitssensibilität am Beginn der Frühen Neuzeit, und verweist auf die Existenz einer öffentlichen Meinung avant la lettre.

Jan Siegemund wurde mit vorliegender Publikation im Sommer 2022 an der Technischen Universität Dresden promoviert. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Profilbereich Geschichte der Vormoderne der Universität Bielefeld.

2.3Zum Verständnis frühneuzeitlicher Öffentlichkeit


„Wir müssen in Zukunft zumindest sagen, von welcher Öffentlichkeit wir sprechen […]!“

Öffentlichkeit kann getrost als einer der problematischsten, da lang und intensiv diskutierten, Begriffe der Geschichtswissenschaft gelten und bedarf daher in besonderem Maß der expliziten Konzeptualisierung. Um einerseits die Bedeutung des Öffentlichkeitsaspekts in den zu untersuchenden Schmähschriftenkonflikten herauszuarbeiten und andererseits auf diese Weise Einsichten in die Herstellung dieser Öffentlichkeit sowie in deren Mechanismen zu gewinnen, sollen zwei Perspektiven auf den Gegenstand eingenommen werden: eine technisch-​deskriptive in Anlehnung an die Kommunikations- und Mediengeschichte sowie eine normative, der ein gesellschaftlich-​funktionales Verständnis von Öffentlichkeit zugrunde liegt.

2.3.1Öffentlichkeit als Kommunikationsnetz: Öffentliche Orte und Medien


Aus kommunikationshistorischer Sicht lässt sich Öffentlichkeit zunächst als ein durch einzelne Kommunikationsakte gebildetes Netz oder als eine Sphäre beschreiben, wobei letzteres den räumlichen Charakter hervorhebt. ‚Öffentlich‘ ist Kommunikation in diesem Zusammenhang, wenn sie nicht intim, sondern in möglichst hohem Grad frei zugänglich ist. Dieses Netz lässt sich in den Dimensionen Teilnehmende, Medien, Orte bzw. Räume, Zeiten und Inhalte analysieren. Über die Erfassung dieser Dimensionen können Strukturen des Netzes, Mechanismen des Öffentlichmachens und somit auch Strategien derjenigen, die Öffentlichkeit adressierten, sichtbar gemacht werden.

Öffentliche Orte

Öffentliche Orte fungieren gleichsam als Knotenpunkte dieses Kommunikationsnetzes. Charakteristischerweise sind sie zugänglich für Menschen unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichen Standes und Geschlechts; an ihnen finden komplexe soziale Austauschbeziehungen, Meinungsbildungsprozesse und eben auch Konflikte statt. Auf die öffentlichkeitskonstituie