1. KAPITEL
In der spanischen Kapelle war es angenehm kühl. Annie glitt auf eine der Kirchenbänke und spürte, wie die andächtige Stille sie mit dem ersehnten Frieden erfüllte.
Noch zwei Tage, dann endete ihr Urlaub, und sie würde nach England zurückkehren müssen. In Penhally Bay wartete Arbeit auf sie – und die Realität, die sie hier unter südlicher Sonne weit von sich geschoben hatte.
Die Auszeit war dringend nötig gewesen. Ihre Eltern hatten sie zwar bedrängt, sie wenigstens auf einem Teil der Kreuzfahrt zu begleiten, die sie über Weihnachten und Neujahr gebucht hatten. Doch sie hatte sanft, aber bestimmt abgelehnt. Nach der Trennung von ihrem Verlobten Robert hätte es ihr gerade noch gefehlt, allein unter glücklichen Familien auf einem Luxusdampfer festzusitzen. Oder schlimmer noch, Weihnachten bei ihrer Schwester Fiona und ihrer jungen Familie in Schottland zu verbringen.
Selbst über die Feiertage in Penhally Bay zu bleiben, hätte sie nur schwer ertragen.
Aber die Ferien in dem kleinen andalusischen Dorf mit seinen blendend weiß getünchten Häusern hatten ihr gutgetan. Sie hatte die engen Gassen erkundet und war stundenlang über die Hügel gewandert, sodass sie abends todmüde ins Bett fiel. Bedrückende Träume hatten so keine Chance gehabt.
Natürlich würde die innere Leere nie ganz verschwinden, aber gegen Ende ihres Urlaubs war Annie so weit, dass sie wieder nach vorn blicken konnte. Was auch immer ihr die Zukunft bringen mochte.
Eine Gruppe aufgeregt flüsternder Kinder, begleitet von einer hochschwangeren Frau, brachte Leben in die stillen Räume. Als Annie die süßen Gesichter mit der olivfarbenen Haut und den glänzenden schwarzen Haaren sah, zog sich ihr das Herz zusammen. Besonders ein Mädchen erregte ihre Aufmerksamkeit. Anders als die anderen schwieg es und blickte sich nur mit großen ernsten Augen um. Gleichzeitig hielt es sich ein bisschen abseits, trotz wiederholter Bemühungen der Schwangeren, sie in den Kreis der Kinder zu holen.
Annie spürte die vertraute Sehnsucht in sich aufsteigen und betrachtete neidisch den runden Leib der werdenden Mutter. Der Geburtstermin schien nicht mehr weit, und Annie hätte sonst was gegeben, um an ihrer Stelle zu sein.
An Adoption hatte sie auch schon gedacht. Es gab wer weiß wie viele Kinder, die Liebe brauchten, und davon hatte Annie nun wirklich viel zu verschenken. Sie war überzeugt, dass sie eine gute Mutter sein würde, gäbe man ihr nur die Chance dazu.
Sie seufzte. Leider schienen Männer damit ihre Probleme zu haben. Nachdem sie sich mehr schlecht als recht damit abgefunden hatte, dass sie keine Kinder bekommen konnte, hatte sie Robert vorgeschlagen, eines zu adoptieren. Er reagierte abwehrend und schien sich mit der Idee überhaupt nicht anfreunden zu können. Im Gegenteil, im Verlauf der folgenden Monate zog er sich mehr und mehr von ihr zurück, bis sie ihm schließlic