[7]Qualitatives Denken
Unsere1 unmittelbare Lebenswelt, die Welt, in der wir nach etwas streben, Erfolg haben oder Niederlagen erleiden, ist vor allem eine qualitative Welt. Um wessen willen wir handeln, was wir erleiden und genießen, sind Dinge in ihren qualitativen Bestimmungen. Diese Welt bildet einen Bereich charakteristischer Formen des Denkens, charakteristisch insofern, als das Denken eindeutig von qualitativen Erwägungen geleitet wird. Gäbe es die doppelte und deshalb uneindeutige Bedeutung des Worts »gesunder Menschenverstand« nicht, könnte man sagen, dass das Denken des gesunden Menschenverstands, dem es um Handlungen und ihre Konsequenzen unabhängig davon geht, ob diese nun genossen oder erlitten werden, qualitativ ist. Weil aber »gesunder Menschenverstand« auch verwendet wird, um weithin akzeptierte Traditionen zu bezeichnen, und in Anspruch genommen wird, um diese zu unterstützen, ist es von vornherein sicherer, sich einfach auf dasjenige Denken zu beziehen, das mit jenen Objekten zu tun hat, die in den Sorgen und Angelegenheiten des Lebens enthalten sind.
Das2 Problemqualitativer Objekte hat dieMetaphysik undEpistemologie beeinflusst, in der logischen Theorie jedoch keine entsprechende Aufmerksamkeit gefunden. Die Aussagen, die in der Physik eine Rolle spielen, sehen von qualitativen Erwägungen als solchen ab; sie handeln von»primären« Qualitäten im Unterschied zu sekundären und tertiären Qualitäten; außerdem werden diese primären Qualitäten tatsächlich nicht als Qualitäten, sondern als Relationen behandelt. Man bedenke den Unterschied zwischen Bewegung als qualitativer Veränderung und als[9]F = ma; zwischen Druck als etwas, das Anstrengung und Spannung einschließt, und Druck als Kraft pro Einheit der Oberfläche; zwischen dem Rot des Bluts, das aus einer Wunde tritt, und rot als etwas, das 400 Billionen Schwingungen pro Zeiteinheit bezeichnet. Die Metaphysik hat sich mit dem Existenzstatus qualitativer Objekte im Unterschied zu solchen der Physik befasst, während die Epistemologie, die sich häufig dafür entschieden hat, Qualitäten als subjektiv und psychisch zu behandeln, sich mit ihrer das Wissen betreffenden Beziehung [244] zu den Eigenschaften »externer« Objekte befasst hat, die in nichtqualitativen Begriffen definiert werden.
Doch3 bleibt ein logisches Problem. Worin besteht die Beziehung – oder deren Fehlen – zwischen diesen zwei Typen von Aussagen, von denen der eine sich auf die Objekte der Physik und der andere sich auf qualitative Objekte bezieht? Worin bestehen die unterscheidenden logischen Merkmale der verschiedenen Typen – falls es sie überhaupt gibt? Wenn es wahr wäre, dass Dinge als Dinge, von Interaktionen mit einem Organismus abgesehen, keine Qualitäten haben, dann würde das logische Problem weiter bestehen bleiben. Denn diese Wahrheit würde die Weise der Entstehung und der Existenz qualitativer Dinge betreffen. Für ihren logischen Status ist sie irrelevant. Die Logik kann wohl kaum zugeben, dass sie sich nur um Objekte kümmert, die eine spezielle Form der Entstehung und Existenz aufweisen, und dennoch für sich Universalität beanspruchen. Und es wäre fatal für die Ansprüche der Logik zu behaupten, aufgrund dessen, dass Qualitäten psychisch sind – nehmen wir für den Moment einmal an, dass sie es tatsächlich sind – hätte die logische Theorie mit den[11]Formen des Denkens nichts zu tun, die charakteristisch für qualitative Objekte sind. Es wäre sogar möglich, dass einige der Schwierigkeiten, die metaphysische und epistemologische Theorien über wissenschaftliche und gewöhnliche Objekte mit sich bringen, daraus entspringen, dass eine grundsätzliche logische Behandlung versäumt wurde.
Eine4 vorläufige Einführung in das Thema