Kapitel 3.2
Das Entwickeln und Umsetzen einer Vision ist eine Kernkomponente vieler Führungstheorien und oberste Führungsaufgabe. Hierbei lassen sich zwei Aspekte unterscheiden:
Die Vision als Schlüsselelement charismatischer Führung mit Zielen wie Sinnstiftung, Orientierung, Inspiration, Motivation.
Die Vision als Schlüsselfunktion zur unternehmerischen Wirtschaftlichkeit, als langfristige Leitidee für untergeordnete kurzfristigere strategische Ziele.
In Wissenschaft, Praxis und Managementratgebern wird visionäres Denken und Handeln als entscheidende Voraussetzung für den Erfolg von Managern gehandelt. Als wichtige Führungskompetenz gilt, Visionen zu entwickeln und überzeugend zu vermitteln. »Unsere Studie zeigt, dass eine erfolgreiche digitale Transformation an der Spitze des Unternehmens beginnt. Nur die obersten Führungskräfte können eine überzeugende Zukunftsvision entwerfen und diese im gesamten Unternehmen kommunizieren. Dann können die Mitarbeiter auf mittlerer und unterer Ebene die Vision in die Tat umsetzen. Manager können Prozesse neu gestalten, Mitarbeiter können anfangen, anders zu arbeiten, und jeder kann neue Wege finden, um die Vision zu verwirklichen. Diese Art von Veränderung geschieht nicht durch einen einfachen Auftrag. Sie muss angeleitet werden.«4 (Westerman et al., 2014, S. 100)
Die Vision als klares und überzeugendes Bild der positiven, erstrebenswerten Zukunft des Unternehmens soll den Beschäftigten Sinn und Orientierung geben – was gerade langfristig wichtig ist. Dillerup definiert: »Sie beschreibt das angestrebte Zukunftsbild des Unternehmens. Damit schafft sie Sinn für jegliches Handeln und soll Identifikation, Motivation und Engagement bei den Mitarbeitern auslösen« (Dillerup& Stoi, 2013, S. 60; siehe auchYukl, 1989). Die Kraft der Vision beschreibt folgendes Zitat, das dem Apple-Gründer Steve Jobs zugeschrieben wird: »Wenn Sie an etwas Spannendem arbeiten, das Ihnen wirklich am Herzen liegt, müssen Sie nicht gedrängt werden. Die Vision zieht Sie an.«5
Diese Führungsaufgabe drückt sich im Begriff des Leadership aus, der bedeutet, Ziele zu setzen und die für die Erreichung notwenige Energie bereitzustellen (vgl. zum BeispielBruch, 2006): Führungskräfte setzen Energie frei und lenken sie – ihre eigene und jene von anderen. Als konkrete Aufgabe des Leaders zur Vision formuliert Jack Welsh: »Gute Führungspersönlichkeiten entwickeln eine Vision, formulieren diese Vision, machen sich die Vision mit Leidenschaft zu eigen und treiben sie unermüdlich voran, um sie zu verwirklichen.«6 (Welsh, 1989).
In der Leadership-Literatur wird meist zwischen der transaktionalen und der transformationalen Führung unterschieden, um die Bedeutung der Vision im Führungsstil aufzuzeigen:
Transaktionale Führung ist ein Führungsstil, der Belohnungen und Bestrafungen nutzt, um die Mitarbeiter zu motivieren. Die Führungskraft formuliert klare Erwartungen für ihre Mitarbeiter und belohnt sie, wenn sie diese Ziele erreichen oder ihre Aufgaben erfolgreich erledigen. Gleichzeitig kann sie auch disziplinarische Maßnahmen ergreifen, wenn die Mitarbeiter die Erwartungen nicht erfüllen. Die Rollen und Verantwortlichkeiten sind klar definiert.
Transformationale Führung ist das in der Forschung und Praxis mit am häufigsten untersuchte und verwendete Führungsmodell. Transformationale Führungskräfte verändern langfristig die Werte und Motive der Geführten, indem sie eine Vision vorgeben, als Vorbild wahrgenommen werden, zu neuen Ideen und zur Reflexion anregen sowie die Entwicklung des einzelnen Mitarbeiters voranbringen (Bass, 1985;Felfe, 2006). Transformationale Führung umfasst die Fähigkeit, »die emotionalen und geistigen Ressourcen der Organisationsmitglieder (Werte, Engagement, Erwartungen) für das herausfordernde Gesamtziel zu mobilisi