: Brigitte Liebelt
: Die Vikarin Margarete Hoffer - Widerstand im Dritten Reich
: Gerth Medien
: 9783961226405
: 1
: CHF 12.60
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 352
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Elly aus Schwenningen reist 1938 nach Wien, um ihre Tante zu unterstützen, und lernt dort die Jüdin Lea Grünfeld kennen, mit der sie sich befreundet. Über sie kommt Elly in Kontakt mit der Theologin Margarete Hoffer, die ihr einen ganz neuen Zugang zur Bibel eröffnet. Als die Nazis an die Macht kommen, unterstützt Elly Margarete dabei, Juden zur Flucht zu verhelfen. Zurück in Schwenningen wird Elly in den Kirchenkampf verwickelt und verliebt sich in den Uhrmacher Jochen. 1941 kommt es zu einem überraschenden Wiedersehen mit Margarete Hoffer, die als 'Vikarin auf Kriegsdauer' nach Schwenningen versetzt wird. Gemeinsam mit Jochen versuchen die beiden Frauen, Juden über die Schweizer Grenze zu schmuggeln und gewähren den Verfolgten als Teil der sogenannten 'Württembergischen Pfarrhauskette' Unterschlupf im Pfarrhaus. Brigitte Liebelt erzählt in diesem biografischen Roman von Margarete Hoffers mutigem Glauben und Wirken und vermittelt ein lebendiges Bild jener herausfordernden Zeit.

Brigitte Liebelt ist ausgebildete Diplom-Bibliothekarin und Krankenschwester. Seit 30 Jahren engagiert sich die sechsfache Mutter und Pastorenfrau ehrenamtlich in verschiedenen Arbeitszweigen ihrer Gemeinde und bei Frauenfrühstückstreffen. Sie lebt in Villingen-Schwenningen.

Und doch bleibt er nicht ferne,

ist jedem von uns nah.

Ob er gleich Mond und Sterne

und Sonnen werden sah,

mag er dich doch nicht missen

in der Geschöpfe Schar,

will stündlich von dir wissen

und zählt dir Tag und Jahr.

(Jochen Klepper, 1903–1942)

Die Schwedische Israelmission

Bereits anderthalb Wochen später konnte sich Elly kaum noch vorstellen, wie einsam sie sich in Wien gefühlt hatte. Sie hatte das Gefühl, Lea Grünfeld bereits eine Ewigkeit zu kennen, und ihre Mutter schien sich vor allem darüber zu freuen, dass Ellys Besuche dafür sorgten, dass ihre Tochter in ihrem Zimmer blieb. Herrn Grünfeld hatte sie noch nicht kennengelernt.

Stenografieübungen für die Tochter eines Kunden waren eine ausgezeichnete Entschuldigung, um fast jeden Nachmittag der Wohnung ihrer Tante zu entkommen. Natürlich erst, nachdem sie ihre Aufgaben im Haushalt mit ganz neuem Schwung erledigt hatte. Elly war fasziniert vom Temperament und Übermut ihrer neuen Freundin. Lea hatte viel mehr als sie von ihrem Heimatland, aber auch von anderen europäischen Ländern gesehen. Sie kannte Theaterstücke, ging in Konzerte, sie dachte über vieles nach, was Elly, wie sie sich eingestand, eine neue Welt eröffnete. L ea schien sich auch nicht an Ellys Dialekt zu stören. Weil sie kein Wienerisch konnte, hatte sie bisher immer versucht, so hochdeutsch wie möglich zu klingen, und manchmal ein amüsiertes bis befremdetes Lächeln geerntet. An diesem Nachmittag – es wurde schon allmählich dunkel und Elly wollte sich gerade verabschieden – fragte Lea plötzlich: »Bist du eigentlich evangelisch, Elly?« Elly war verdutzt. »Ja, aber ich dachte, ihr seid Juden?« Lea lachte. »Davon hatte ich bis vor Kurzem nicht so viel gemerkt. Ich habe in der Schule eine richtig tolle Religionslehrerin. Sie macht donnerstags um 17 Uhr immer den Jugendkreis in der Schwedischen Israelmission in der Seegasse hier im Viertel. Wir diskutieren über alles Mögliche. Hast du Lust, mitzukommen?«

So kam es, dass Elly sich am nächsten Tag pünktlich vor dem Eingang des mehrstöckigen grauen Gebäudes gegenüber dem alten jüdischen Friedhof einfand. »Schwedische Mission« war darüber eingemeißelt. Sie war aufgeregt. Von diesem Besuch wusste auch Onkel Robert nichts, sie hatte ihm sicherheitshalber auch nichts angedeutet, weil sie bisher nicht den Eindruck gehabt hatte, dass sein katholischer Glaube ihm viel bedeutete, und Tante Julie war bei der Heirat ihm zuliebe konvertiert. Ein- oder zweimal hatte sie die beiden zu besonderen Anlässen in den Stephansdom begleitet. Zu Hause hatte sie kurz vor ihrer Abreise ganz frisch im Kreis der Kindergottesdiensthelferinnen gestartet. Es hatte ihr Spaß gemacht; man kam mal von zu Hause weg und die anderen Mädchen und Jungs in der Gruppe waren nett.

Inzwischen war auch Lea etwas atemlos eingetroffen. »Bin mal wieder zu spät dran, entschuldige! Komm, Frau Hoffer fängt gern pünktlich an.« Sie rannten die Treppen hinauf und setzten sich schnell auf zwei freie Stühle in einem großen schlichten Raum. Eine junge Frau in Rock und Strickjacke über der Hemdbluse kam auf sie zu, die dunklen Haare hochgesteckt. Ganz klar, die Lehreri n. Elly konnt