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Elena holte mit einem ihrer in Stiefeln steckenden Beine weit aus, um den Spielraum zu prüfen, den ihr umfangreiches Ballkleid ihr ließ, und lächelte, als der Stoff sich löste, als gäbe es ihn nicht. »Montgomery hat wieder sein Bestes gegeben«, sagte sie und schob anschließend ihre Wurfmesser in die dekorativen Messerscheiden an ihren Unterarmen.
An einem bestimmten Punkt ihrer annähernd zwei Dekaden als Raphaels Gemahlin hatte sie den Entschluss gefasst, sich ein neues Markenzeichen zuzulegen: Unterarmscheiden. Und inzwischen fand es niemand mehr verwunderlich, dass sie Waffen wie Schmuck trug. Es war darüber hinaus auch wesentlich einfacher, sich nicht mehr Verstecke für ihre Waffen ausdenken zu müssen.
Was nicht bedeutete, dass sie nicht auch versteckte Waffen am Körper trug.
Elena würde niemals auf eine verdeckte Würgeschlinge verzichten oder auf ein Blasrohr für in Gift getauchte Pfeile. Letzteres war ein nicht ernst gemeintes Geburtstagsgeschenk ihrer Gildefreunde gewesen, doch sie hatte erkannt, dass es in Situationen, in denen andere Waffen womöglich als Zeichen der Feindseligkeit aufgefasst würden, als Schmuckanhänger durchgehen konnte.
Ihrem persönlichen Stil Unterarmscheiden hinzuzufügen hatte die letztere Gefahr erheblich gemindert. Wen interessierte es schon, ob die hochnäsigen alten Engel in ihrer Herablassung von der »Affektiertheit einer Sterblichen« sprachen und ihre Nasen so hoch in die Luft reckten, dass es fast an ein Wunder grenzte, dass sie nicht aus dem Gleichgewicht gerieten und rückwärts umkippten. Diese Dummköpfe glaubten allen Ernstes, sie würden sie damit beleidigen.
Ha, ein sterbliches Herz, eine sterbliche Seele zu besitzen war ein Geschenk, das sie in dieser Welt, in der so viele die Jahrhunderte vergeudeten, weil es immer noch einen weiteren Tag für sie gab, besonders zu schätzen wusste.
Was sie indessen abstoßend fand, war eine Gruppe junger, »trendiger« Höflinge, die sie mit edelsteinbesetzten Ungeheuerlichkeiten, die sie Klingen nannten, zu kopieren wagten. Es war eine Beleidigung für jedes Wurfmesser, denn ihre Messer konnten keinen einzigen Meter geradeaus fliegen, geschweige denn ein Ziel treffen. Doch damit würde sie sich wohl abfinden müssen, wie Illium meinte, denn es sei nun einmal ihr Los als »Mode-Ikone«.
Eines schönen Tages würde sie ein Hühnchen mit ihrem hübschen Glockenblümchen rupfen.
Da wurde in ihre Überlegungen hinein ihr offenes, bis zur Taille fallendes weißes Haar zur Seite gestrichen und ein Kuss auf ihren Nacken gedrückt, der einen Schauer durch ihren Körper jagte, als sich am Rand ihres Blickfelds weißgoldene Flügel öffneten.
Ihr Herz schlug Purzelbäume, als wäre dies das erste Mal, dass Raphael sie berührte.
Stöhnend ließ sie sich gegen seinen warmen, muskulösen und nackten Oberkörper fallen. »Heißt das, du bist mit meinem Vorschlag einverstanden, dass wir die ganze Sache abblasen und uns dafür lieber ausziehen?«
In ihren Gedanken brausten eisblaue, windgepeitschte Meere, sein Lachen erfüllte ihre Welt. »Ach,hbeebti, leider muss ich heute meine Pflicht erfüllen. Genauso wie du.« Noch ein Kuss, diesmal in ihre Halsbeuge, während er ihr eine Hand auf den Bauch legte. »Allerdings, wenn alles erledigt ist … ich kenne einen Ort, weit entfernt vom Rest der Welt, an dem wir unsere Flügel miteinander verschränken können.«
Ihr