Kapitel 2
Ich fühle mich wie Cinderella. So war das nicht gedacht. Lockie und ich hätten heute Abend zusammen auf den Ball gehen sollen. Ich war mir sicher, dass er wenigstens kurz vorbeikommt. Mir Blumen bringt. Sagt, dass der Ball ohne mich scheiße wird.
Wenn das alles nicht passiert wäre, dann wären wir jetzt garantiert wieder zusammen.
Hör auf damit, Freya!
Schwerfällig schlüpfe ich aus dem Bett und schleppe mich über den Gummifußboden, den klapprigen Infusionsständer hinter mir herziehend wie ein altersschwaches Porzellinchen – ihr wisst schon, aus Toy Story. Damit ich meinen Bauch nicht überstrapaziere, greife ich gebückt nach dem sperrigen Plüschklumpen namens Winston und schubse den Teddy über die Stangen und Stützkissen aufs Bett. Ich schlurfe zurück und mache auf dem Rückweg die Tür zu und das Licht aus. Dann setze ich mich auf den Bettrand. Nacheinander hieve ich die Beine hinauf, schlüpfe unter die Decke und ziehe Winston vom Bettende zu mir hoch.
Dad hat mir den riesigen Teddy gekauft, als ich auf der Intensivstation lag. Er und Nibblet – der alte Stoffhase, der mich schon seit meiner Geburt begleitet – haben in den letzten Wochen abwechselnd auf mich aufgepasst. Mit »er« meine ich übrigens Winston, nicht Dad. Klar, der hat auch auf mich aufgepasst. Und Mum – auf ihre eigene Art … Aber meine Eltern können mir nicht dabei helfen, die Krankenhausnächte zu überstehen, so wie Winston und Nibblet es tun. Sie sind nicht da, wenn das Pflegepersonal morgens um halb sieben die Schicht wechselt und uns alle aufweckt, bevor sie nach Hause gehen. Ein echter Albtraum, sage ich euch. Meistens bin ich grade erst weggedöst und Frühstück gibt es frühestens anderthalb Stunden später, ich kapier also nicht, warum sie uns unbedingt wecken müssen. Vielleicht, um sicherzugehen, dass wir nicht während ihrer Schicht gestorben sind. Das wäre wahrscheinlich ziemlich peinlich.Ja, also Freya war heute Nacht zweimal wach, deshalb dachten wir, wir lassen sie bis zu ihrem ausgewogenen, vollwertigen Frühstück aus klaren Flüssigkeiten schlafen.
Ähm …,sagt dann die Ablösung,Freya ist ziemlich kalt und rührt sich nicht. Ich glaube, sie ist schon eine ganze Weile tot.
Keine Ahnung, woran es liegt, aber irgendwas haben Krankenhäuser an sich, dass man solche Gedanken bekommt. Morbide Gedanken, meine ich. Ich habe sogar Briefe geschrieben – von Hand – und in meiner Nachttischschublade versteckt. Nur für den Fall. Ihr wisst schon. Dass ich doch abkratze. In Morvens Brief steht eine lange Liste mit Songs, die sie auf meiner Beerdigung spielen sollen. Lockies Brief würde ich am liebsten zerreißen und einen neuen schreiben. Aber irgendwie will ich nicht, dass die letzte Erinnerung an seine erste Liebe – in der vierten Klasse haben wir es offiziell gemacht – ein wütendes und melodramatisches Gekritzel voller Rotzflecken und Tränen ist. Nee. Soll Lockie mal schön den Brief mit den glücklichen Erinnerungen lesen, in dem ich ihm